Wie sehr können wir uns ändern?
Shownotes
Wir leben in einer Welt, die Veränderung fordert. Doch wieviel Change ist möglich? Lassen sich Führungskräfte so einfach "transformieren"? Können Mitarbeitende neugieriger werden? "Man bleibt wie man einmal geworden ist" - das galt bisher in der Persönlichkeitspsychologie.
Doch die neuere psychologische Forschung vertritt einen gemäßigteren Ansatz. Es geht mehr als wir bisher dachten - entscheidend sind jedoch die Anreize. Das wäre eine schlechte Nachricht für alle Change Verantwortlichen und Führungskräfteentwickler.
Darüber spricht Svenja Hofert mit der Buchautorin und Psychologieprofessorin Dr. Eva Asselmann.
- Weitere Hintergrundtexte und Tools bei https://svenjahofert.substack.com/
Buchtipps:
- Eva Asselmann (2022) Woran wir wachsen: Welche Lebensereignisse unsere Persönlichkeit prägen und was uns wirklich weiterbringt. - Die neuesten Erkenntnisse aus der Persönlichkeitspsychologie. München: Ariston
- Svenja Hofert (Neuauflage 2024): Hört auf zu coachen. Wie mann Menschen wirklich weiterbringt. München: Vahlen
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Transkript Podcast
Mehr: www.svenjahofert.substack.com
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Ja, herzlich willkommen im Weiterdenken Podcast von und mit Svenja Hofert.
Mehr: Bei mir geht es darum, die Dinge etwas tiefer zu erfassen, zu ergründen und Aspekte hereinzubringen, die du und die sie nicht immer und überall so in dieser Form hören.
Mehr: Im Mittelpunkt steht natürlich die Veränderung.
Mehr: Das kann man vielleicht auch Change nennen, muss man aber nicht.
Mehr: In diesem Podcast habe ich mich mit Eva Asselmann virtuell getroffen.
Mehr: Sie ist Professorin, hat Bücher geschrieben und sie ist eine Spezialistin, wenn man so will, für den Wandel und zwar aus der Perspektive der Psychologie.
Mehr: Die kennt zum Beispiel ein Instrumentarium wie die Big Five,
Mehr: Und ich habe mit ihr gesprochen, um zu erfahren, ob wir uns wirklich nicht ändern können, ob wir uns und wie und in welchen Aspekten wir uns ändern können.
Mehr: Vor allen Dingen, wenn man sich das auch wissenschaftlich ansieht und die Belege aus dem Big Five heranzieht.
Mehr: Also freue dich auf mein Interview und abonniere gerne diesen Podcast.
Mehr: Ja, ich freue mich sehr, dass ich hier Prof. Dr. Eva Asselmann im Podcast habe und ich bin ja jemand, der sehr neugierig auf Transformation, Veränderung auf der persönlichen Ebene ist und auf der Ebene von Organisation und fand, dass sie ganz interessante, spannende Ansätze
Mehr: haben, Frau Asselmann, und ich würde jetzt einfach Ihnen die Bühne geben, sich kurz vorzustellen, unseren Hörern.
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Sehr gerne.
Mehr: Also erst mal freut mich, dass Sie meine Ansätze spannend finden.
Mehr: Mein Name ist Eva Asselmann.
Mehr: Ich bin Professorin für Differenzielle und Persönlichkeitspsychologie an der Health and Medical University in Potsdam und ich forsche zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheitsförderung, Prävention,
Mehr: Da interessiert mich vor allen Dingen, wie sich unsere Persönlichkeit verändert bei einschneidenden Lebensereignissen, zum Beispiel dem Berufseinstieg, der Geburt eines Kindes oder auch dem Renteneintritt.
Mehr: Und ich habe auch einige Studien dazu durchgeführt, wie sich eigentlich Persönlichkeit verändert bei angehenden Führungskräften.
Mehr: Wie wirkt sich dieser Wechsel aus auf die Persönlichkeit, aber auch auf das subjektive Wohlbefinden?
Mehr: Und was brauchen wir eigentlich, um erfolgreich zu sein in der Chefetage?
Mehr: Und daher freue ich mich sehr, dass wir da zusammenkommen und bin schon ganz gespannt auf unser Gespräch.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Naja, das Erste, was mir jetzt auffällt, ist Chefetage.
Mehr: Also die Chefetage, das erlebe ich jedenfalls in meiner praktischen Arbeit, die wird derzeit sehr stark, ich sag mal, aufgeräumt.
Mehr: Oder man wünscht sich anderes Verhalten.
Mehr: Man wünscht sich zum Beispiel Leute, die offener sind.
Mehr: Man wünscht sich Leute, die den anderen kooperativ mehr Raum geben.
Mehr: Und wenn ich jetzt zum Beispiel auf die Big Five gucke, dann fällt mir als erstes ein, dass ja das Thema Offenheit ja meiner Meinung nach oft untersucht worden ist für Führungskräfte.
Mehr: Und ich frage mich, wie ist das denn, wenn dann jetzt eine Führungskraft plötzlich ja offener, also mehr Komplexitätsdenken mitbringen soll.
Mehr: Wenn sie plötzlich den anderen Raum
Mehr: Geht das überhaupt?
Mehr: Ist das möglich, so umzufalten?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Das ist natürlich möglich.
Mehr: Ich denke, da muss man sich erst mal überlegen, wie sieht denn so die Chefetage in Anführungszeichen eigentlich aus?
Mehr: Und da stellen wir ja dann relativ schnell fest, dass es sehr unterschiedliche Führungspositionen gibt.
Mehr: Also es macht einen Unterschied, ob ich bei einem sehr agilen Start-up mein kleines Team leite oder ob ich bei einem alteingesessenen Familienunternehmen, das schon sehr etabliert ist, eher
Mehr: Konservativ ausgerichtet möglicherweise da oben an der Spitze stehe.
Mehr: Es gibt ja sehr unterschiedliche Unternehmenskulturen, unterschiedliche Unternehmenswerte und da muss natürlich die Persönlichkeit der Führungskraft auch so ein bisschen zur Kultur passen.
Mehr: Generell befinden wir uns natürlich nichtsdestotrotz in einem Wandel und wenn ich offen bin, wenn ich so ein Vordenker bin, wenn ich neue Ideen generieren kann, kreativ sein kann,
Mehr: Dann ist das tendenziell förderlich bei Führungspersönlichkeiten.
Mehr: Das zeigt auch die Forschung.
Mehr: Da gibt es einige Forschungen zu, was sind denn so typische Führungspersönlichkeitsmerkmale?
Mehr: Was macht Führungspersönlichkeiten erfolgreich?
Mehr: Und wenn wir uns da jetzt mal nur die Persönlichkeit anschauen, dann sind das vor allen Dingen die Merkmale Extroversion und Offenheit für Erfahrung.
Mehr: Also wenn ich eher extrovertiert bin, ja, dann habe ich eine höhere Wahrscheinlichkeit, Führungskraft zu werden und bin da mit höherer Wahrscheinlichkeit auch zufriedener und erfolgreicher.
Mehr: Es liegt ja auf der Hand, denn ich muss da recht viele Tätigkeiten, also Dinge tun, die ein hohes Maß an Extroversion erfordern.
Mehr: Ich muss zum Beispiel sprechen, ich muss das Unternehmen intern, extern repräsentieren, ich muss ja redegewandt durch das Meeting führen und so weiter.
Mehr: All das benötigt ein extrovertiertes Verhalten.
Mehr: Und zum anderen
Mehr: Sowas wie Risikobereitschaft, Offenheit bedeutet ja, dass ich bereit bin, neue Wege einzuschlagen und in der Regel sind Unternehmen immer dann erfolgreich, wenn sie nicht immer das Gleiche machen, sondern sich auch weiterentwickeln, neue Ansätze ausprobieren, integrieren und da kann es hilfreich sein, wenn man offen ist als Führungskraft.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Wobei es natürlich, wenn man jetzt zum Beispiel das Thema Komplexitätsdenken nimmt oder analytische Fähigkeiten, ja öfter auch die Introvertierten sind, die da besondere Stärken entwickeln.
Mehr: Das ist so jedenfalls meine Beobachtung oder Erfahrung.
Mehr: Und das sind dann Menschen, die Schwierigkeiten damit haben, so schnelle Wechsel wie
Mehr: extravertierte Personen, denen fällt das leicht, zwei Minuten das, drei Minuten das und die sind dann eher so am Stück und beschäftigen sich tief mit den Themen und ich nehme so wahr, dass das etwas ist, was derzeit sehr gebraucht
Mehr: wird, weil es ja auch darum geht, jetzt zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln und so weiter.
Mehr: Und ich frage mich, was bedeutet das eigentlich für Führung, wenn wir diese Menschen brauchen und diese Menschen gleichzeitig aber auch diejenigen sind, die jetzt nicht so sehr stark diese Abwechslung notieren, was ja zum Beispiel doch mit Hybridarbeit und neuen Arbeitsformen
Mehr: Könnte die künftige Führungsperson eigentlich auch introvertiert sein?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Definitiv.
Mehr: Das sind auch immer nur durchschnittliche Zusammenhänge.
Mehr: Also ich kann auch, wenn ich introvertiert bin, durchaus erfolgreich sein als Führungskraft.
Mehr: Dann hilft es, sich zu überlegen, in welchen Kontexten ist es denn ganz gut, wenn ich mich jetzt mal extrovertiert verhalte.
Mehr: Nichtsdestotrotz kann ich schon introvertiert bleiben.
Mehr: Ich kann meinen Arbeitsalltag daran anpassen und muss jetzt nicht meine gesamte Persönlichkeit umkrempeln mit dem Hintergedanken, als introvertierte Person bin ich eine schlechte Führungskraft.
Mehr: So ist es nicht.
Mehr: Es hilft da, diese Führungsrolle auch an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Mehr: Ich kann ja zusehen, dass ich mein Team dann so leite, dass ich trotzdem auch noch Freiräume für mich habe, dass ich nicht immer alles spontan, schnell, schnell entscheiden muss, sodass es mir als Persönlichkeit auch entspricht und ich dann authentisch bin.
Mehr: Und gleichzeitig kann ich mir überlegen, in welchen Kontexten wäre es denn hilfreich, wenn ich jetzt einfach mal ein bisschen mehr aus mir herausgehe, mehr zeige, auch mal mehr spreche, ob man es eigentlich nicht meinem Naturell entspricht.
Mehr: Zur Offenheit, da ist es so, die ist schon so ein bisschen korreliert mit der Extroversion, also extrovertierte Personen sind tendenziell auch offener, aber so stark ist dieser Link da gar nicht.
Mehr: Offenheit bezeichnet erstmal eine mentale Offenheit, also inwiefern bin ich
Mehr: Ja, vom Geiste her offen für neue Ideen, für neue Erfahrungen und stehe denen erstmal unvoreingenommen gegenüber.
Mehr: Das kann ich natürlich auch sein als introvertierte Person.
Mehr: Selbst wenn ich zu Hause vor mich hin tüfte, kann ich mich ja auch da mit neuen Konzepten, neuen Ideen befassen und da zum Beispiel mir neue Produkte oder Wege, wo es hingehen könnte im Unternehmen, die kann ich mir trotzdem anschauen, auch wenn ich introvertiert bin.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Es ist ja auch so, dass es Subfacetten gibt, sodass man sagen kann, es gibt ja auch Persönlichkeiten, auf mich würde das zutreffen, die haben extrovertierte Seiten, aber auch introvertierte Seiten.
Mehr: Und je nach Subfacette könnte sich das, jedenfalls wäre das meine Interpretation, ja auch unterschiedlich auswirken.
Mehr: Also wo man ein extrovertiertes Verhalten zeigt und wo man eher ein introvertiertes Verhalten zeigt.
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Genau, tendenziell sind Persönlichkeits-Traits aber per Definition schon so, dass sie sich tendenziell auch in unterschiedlichen Kontexten zeigen.
Mehr: Also wenn sie eher extrovertiert sind als Persönlichkeit, dann sind sie tendenziell in verschiedenen Kontexten, sei es jetzt privat, sei es beruflich auch extrovertiert.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Ja, ich würde sagen, es gibt Unterschiede.
Mehr: Also ich glaube, dass man, also meine Erfahrung ist, dass es durchaus verschieden sein kann, wo man auch seinen Energielevel finden kann.
Mehr: Also das ist mal eher mit anderen und mal eher allein.
Mehr: Das wäre jetzt so meine persönliche Erfahrung und
Mehr: Die Frage, die ich da noch hätte, wenn wir jetzt so in Lernumfelder von Organisationen gehen, wo ja die Führungskräfte vor der Aufgabe stehen, sich selbst neu zu erfinden, aber auch die Mitarbeiter zum Beispiel mitzunehmen, anzuregen, die Dinge anders zu machen.
Mehr: Also wie viele Chancen hat das?
Mehr: Ich sage jetzt mal ein konkretes Beispiel.
Mehr: Da haben wir ein Team mit zum Beispiel
Mehr: Bigplan oder Systemadministratoren, die haben 15, 20, 25 Jahre alle auf die gleiche Art und Weise gearbeitet und sind jetzt eher an Routineprozessen interessiert, lieben es, wenn sich die Sachen wiederholen und jetzt sollen sie plötzlich konzeptionell arbeiten, zusammenarbeiten und das mehr oder weniger von heute auf morgen.
Mehr: Wie wahrscheinlich ist, dass das gelingt?
Mehr: Und kann es überhaupt gelingen?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Das ist so relativ unwahrscheinlich, weil da schon ein professioneller Change-Prozess notwendig ist.
Mehr: Man muss natürlich erstmal schauen, was sind das eigentlich für Leute in meinem Unternehmen.
Mehr: Wenn ich zum Beispiel ein Start-up gründe und da sind ganz viele junge Leute, die gerade auf der Suche sind nach Inspiration, nach originellen Ideen, dann kann so ein Change-Prozess viel leichter gelingen, als wenn ich Personen habe, die vielleicht seit 20, 30 Jahren an ihre Prozesse gewöhnt sind und die auch sehr lieb gewonnen haben.
Mehr: Die kann ich nicht von heute auf morgen da rausreißen, sondern da muss ich mir überlegen, wie ich nach und nach
Mehr: Smooth diesen Change-Prozess gestalte und den anleite schrittweise, auch mit Vorbildfunktionen, dass zum Beispiel auf der Führungsetage schon Dinge tendenziell anders gemacht werden und die sollen dann auch umgesetzt werden.
Mehr: Ja, bei den einzelnen Mitarbeitenden.
Mehr: Also so von heute auf morgen alles umschmeißen, die gesamte Unternehmenskultur auf den Kopf stellen, das ist utopisch und wird wahrscheinlich scheitern oder zumindest nicht ganz so erfolgreich sein.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Und in kleinen Schritten, wie realistisch ist das?
Mehr: Also wenn ich bisher wenig Interesse hatte, mich über andere Dinge zu informieren, ich einfach nicht so gern über den Tellerrand geguckt habe, weil es auch gar keiner von mir verlangt hat.
Mehr: Und jetzt bin ich aber in der Situation und Fachkräftemangel bringt die Menschen ja und die Verantwortlichen auch dazu jetzt erstmal zu gucken, was mache ich mit dem vorhandenen Personal?
Mehr: Wie kriege ich das hin, dass die da offener werden?
Mehr: Also wenn sie jetzt sagen, da gibt es keine Chance, dann ist das ja sehr deprimierend.
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Also eine Chance gibt es schon, aber ich kann Personen nicht von heute auf morgen in ein ganz anderes Setting bringen oder von denen verlangen, dass sie sich von heute auf morgen um 180 Grad drehen, sondern ich muss das erstens graduell gestalten in einzelnen Schritten und dann sollte ich es nach Möglichkeit auch professionell anleiten.
Mehr: Also man ist ja häufig in einem Unternehmen, in einem Team organisiert, wo es auch jemand gibt, der das Team anleitet.
Mehr: Und diese Person könnte jetzt anleiten, den Prozess mal anders zu gestalten, dass man zum Beispiel an das neue Thema anders herangeht.
Mehr: Und dann peu à peu, dass man die einzelnen Prozesse oder Arbeitsschritte, dass man die nach und nach etwas anders angeht.
Mehr: Und ja, das muss natürlich von oben gelenkt werden.
Mehr: Also man kann nicht jemandem sagen, ja, von heute auf morgen, bitte verhalte dich jetzt anders, sondern es sollte von oben diese Strategie geben.
Mehr: Jemand, der das führt, so klassischer Change-Prozess, der entsprechend in Schritte aufgeteilt wird.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Also eher adaptiv.
Mehr: Dann bestehen schon Chancen, wenn man adaptiv vorgeht.
Mehr: Wie schätzen Sie das ein?
Mehr: Sie sind ja jetzt für differenzielle Psychologie auch spezialisiert und
Mehr: Ich beschäftige mich zum Beispiel auch mit Gruppen und die Frage ist ja, welche Wirkung können Gruppen entfalten?
Mehr: Können sie da aus ihrem Kontext was sagen?
Mehr: Also wenn man zum Beispiel andere Teammitglieder reinnimmt, die anders vorangehen und die die anderen mitnehmen, mitziehen, kann das eine Wirkung haben?
Mehr: Gibt es da irgendwelche Studien, Erfahrungen?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Das wäre auch eine Möglichkeit, dass man zum Beispiel neue Mitarbeitende anstellt, die sehr viel origineller sind als die Personen, die schon im Unternehmen sind.
Mehr: Dann hat man eine größere Vielfalt und da wissen wir auch, dass gerade bei so Gruppenprozessen das sehr hilfreich sein kann.
Mehr: Häufig besteht die Tendenz in Unternehmen, dass Gruppen sehr homogen sind, weil man zum Beispiel eher bestrebt ist, jemanden einzustellen, der einem selbst ähnlich ist.
Mehr: Da hat man häufig das Gefühl, ja, diese Person ist mir sympathisch, mit der kann ich mich gut identifizieren.
Mehr: Wir wissen aber, dass das häufig nicht ganz die passende Strategie ist und dass eine gewisse Vielfalt hilft.
Mehr: Natürlich sollte man so mit den grundlegenden Werten Überzeugung, sollte es eine Übereinstimmung geben, damit man auch eine Gruppenzusammenhalt hat.
Mehr: Aber zum Beispiel von der Arbeitsweise kann es sehr hilfreich sein für ein Team, wenn die einzelnen Personen unterschiedlich aufgestellt sind.
Mehr: Und da könnte man zum Beispiel auch ein Gruppencoaching machen, wo man
Mehr: sich mal gemeinsam darüber Gedanken gemacht.
Mehr: Wer ist bei uns eigentlich tendenziell wie aufgestellt?
Mehr: Welche Stärken und Kompetenzen bringt diese Person mit und wie können wir unsere Arbeit gestalten, dass wir die Kompetenzen und Stärken der einzelnen Teammitglieder dabei bestmöglich ausschöpfen?
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Und was denken Sie, wie viel Dynamik ist in den einzelnen Merkmalen drin?
Mehr: Ich finde zum Beispiel, dass man, nehmen wir mal Verträglichkeit, das ist ja auch ein Big Five.
Mehr: Big Five Facette unterschiedlich interpretieren kann.
Mehr: Also von einem sehr krass egoistischen Verhalten bis hin zu ein bisschen weicher, angepasster, obwohl ich im Grunde vielleicht nicht so verträglich bin.
Mehr: Oder umgekehrt, ich bin sehr verträglich und ich kann das so interpretieren, dass ich mich immer anpasse, immer nett bin, immer harmonieorientiert bin.
Mehr: Versus ich kann für mich auch entscheiden, naja, in der Situation bin ich jetzt mal anders.
Mehr: Also dass man die einzelnen Merkmale auch durchaus sehr unterschiedlich interpretieren kann.
Mehr: Gibt es da Forschung zu?
Mehr: Ist das jetzt so rein meine Erfahrung oder wie könnten Sie das begründen?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Also diese Big-Five-Mechanismen sind erstmal recht breit und haben natürlich einzelne Facetten, die sich schon in einem gewissen Maße auch voneinander unterscheiden können.
Mehr: Ich bin möglicherweise eher aufgeräumt bei der Arbeit und weniger aufgeräumt im Privaten oder ich bin angepasst und verträglich gegenüber meinen KollegInnen, aber weniger zu Hause in der Familie.
Mehr: Lange Zeit dachte man, dass die Persönlichkeit sich vor allen Dingen in der Kindheit und Jugend entwickelt und dann ab dem Erwachsenenalter stabil ist, dass wir also keine Möglichkeit mehr haben, unsere Persönlichkeit zu verändern oder zu entwickeln.
Mehr: Mittlerweile wissen wir aber glücklicherweise, dass dem nicht so ist und dass wir uns ein Leben lang weiter verändern, entwickeln und anpassen können.
Mehr: Also auch wenn ich schon 50, 60, 70 bin, kann ich immer noch versuchen, an meiner Persönlichkeit zu arbeiten.
Mehr: Diese Veränderungen, die sind eher klein.
Mehr: Also wenn sie jetzt sehr introvertiert sind, dann ist es eher unwahrscheinlich, dass die extrem extrovertiert werden.
Mehr: Also es bewegt sich schon alles im Rahmen, dass man jetzt nicht komplett seinen Charakter austauscht.
Mehr: Und ein Punkt, der mir da immer wichtig ist, gerade bei Personen, die sehr motiviert sind, sehr bestrebt, sich selbst zu verändern, sich anzupassen, ist, dass man sich vorher mal überlegt, warum möchte ich mich eigentlich verändern und sich da auch vor Augen führt, was sind denn die stärken Kompetenzen,
Mehr: Können wir Führungskräfte ändern?
Mehr: vielleicht gerne beibehalten möchte.
Mehr: Und dann kann ich mir gleichzeitig überlegen, was sind denn manchmal die Schwierigkeiten, die damit einhergehen, dass ich im Alltag wenig verträglich bin?
Mehr: Vielleicht, dass ich schnell mal mit anderen aneinander ecke, dass mir andere dann böse sind, weil ich Dinge nicht ganz so diplomatisch ausdrücke oder so.
Mehr: Und an diesen sehr konkreten Schwierigkeiten, Herausforderungen im Alltag kann ich dann arbeiten und versuchen, mich ganz konkret in solchen Situationen zukünftig anders zu verhalten.
Mehr: Und das erfordert ja nicht, dass ich meine gesamte Verträglichkeit umkrempel und dann von eher unverträglich zu sehr, sehr verträglich wächste.
Mehr: Davon würde ich auch abraten.
Mehr: Wenn ich weiß, ich bin eine eher konservative, nicht ganz so offene Person, dann hat ja auch das Vorteile, dass ich zum Beispiel eine klare Orientierung habe.
Mehr: Ich weiß, was ich will.
Mehr: Ich weiß vielleicht eher, was meine Werte sind, was mir vertraut und lieb und teuer ist.
Mehr: Und dennoch kann ich ja versuchen, hier und da mal etwas offener zu sein und mich mit neuen Ideen erstmal vorbehaltslos auseinanderzusetzen, ohne immer bei meinem Gewohnten zu bleiben.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Sie haben es ja angesprochen.
Mehr: Lange Zeit dachte man, dass die Big Five sehr stabil bleiben.
Mehr: Und ich habe da so eine Theorie, die mag falsch sein, dass das möglicherweise auch damit zu tun haben könnte, dass sich auch das Umfeld als sehr stabil erwiesen hat.
Mehr: Also wenn man das untersucht hat über viele, viele Jahre, Jahrzehnte, dann war unsere Welt ja auch relativ stabil, zumindest nach dem Zweiten Weltkrieg, kann man sagen.
Mehr: Und gerade in Deutschland hatte man eher einen festen Job und da war auch lange die Neigung, dass die Menschen innerhalb ihrer Bereichabteilung Teams bleiben und sowas wie rüberspringen in eine ganz andere Abteilung, dass das gar nicht so üblich war.
Mehr: Das hat sich ja in den mindestens letzten zehn Jahren sehr stark verändert, wenn nicht sogar in den letzten 15 Jahren, dass immer mehr gewechselt wird.
Mehr: Das heißt, ich bin jetzt mal ganz platt im Finance-gehenden Vertrieb.
Mehr: Also ich wechsle die Felder und wechsle auch viel häufiger die Organisation.
Mehr: Kann es sein, dass das auch eine Auswirkung haben würde auf die Big Five, die man jetzt vielleicht noch gar nicht so sehen kann?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Auf jeden Fall.
Mehr: Unsere Persönlichkeitsentwicklung hängt immer von zwei großen Faktoren ab.
Mehr: Das ist einmal die genetische Disposition, die ich mitbringe, und zum anderen die Umwelterfahrung.
Mehr: Und genau das wäre jetzt eine Form der Umwelterfahrung, nämlich dass ich vielfältigere Erfahrungen mache, dass ich neue Aufgaben kennenlerne, ein neues Arbeitsumfeld und das in regelmäßigen Abständen.
Mehr: Und das ist so ein typischer Treiber für mehr Offenheit.
Mehr: Weitere Treiber wären, wenn ich jetzt mal eine Zeit ins Ausland gehe oder ich mache einen Studienaufenthalt ganz woanders, lerne eine neue Kultur kennen, setze mich mit verschiedenen Lebensweisen, Konzepten, Perspektiven auseinander.
Mehr: Solche Lebenserfahrungen sind ganz wesentliche Treiber für einen Plus an Offenheit.
Mehr: Und sie sind natürlich auch wertvoll, weil sie es mir ermöglichen, gerade komplexe Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten.
Mehr: Das kann schon sehr sehr wertvoll sein.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Wie würden Sie aus der Sicht der differenziellen Psychologie auf Stärken schauen?
Mehr: Es gibt ja positive Psychologie mit ihrem starken Konzept.
Mehr: Man kann jetzt auch sagen, aus dem Big Five ergeben sich entweder in der Mitte oder an den Extremen oder in den Subfacetten vielleicht auch Stärken.
Mehr: Was wäre Ihre Sicht auf Stärken und auch auf die Entwicklung von Stärken, wenn man sagt, ja, die Big Five sind schon so, dass sie relativ stabil sind.
Mehr: Sie werden sich nicht radikal verändern.
Mehr: Ich werde nicht von heute auf morgen eine totale
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Wenn wir uns die Big Five anschauen, also Offenheit, Extroversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität, dann merken wir schon, wenn wir uns die Begrifflichkeiten vor Augen führen, dass irgendwie ein
Mehr: eine höhere Ausprägung uns attraktiver und besser erscheint.
Mehr: Ja, wir alle möchten tendenziell eher gewissenhaft sein als stutrig, wir möchten eher offen sein als verschlossen, wir möchten eher verträglich sein als jemand, der aneckt und so weiter.
Mehr: Von daher geht das häufig mit einer sehr starken, impliziten Wertung einher.
Mehr: Das bezeichnen wir auch als soziale Erwünschtheit.
Mehr: Und es gibt auch Studien, die das belegen können, dass im Schnitt höhere Ausprägungen mit besseren sogenannten Life Outcomes zusammenhängen, also mehr Erfolg in der Schule, im Beruf, einer besseren Gesundheit und zufriedeneren sozialen Beziehungen, zum Beispiel stabileren Partnerschaften, wenn ich jetzt verträglicher bin.
Mehr: Aber das sind durchschnittliche Zusammenhänge und das muss nicht immer auf jede einzelne Person, auf jeden Lebenskontext zutreffen.
Mehr: Per se sind Persönlichkeitsmerkmale eigentlich erstmal wertfrei.
Mehr: Es ist da nicht so wie bei der psychischen Gesundheit, wo wir natürlich alle darüber einstimmen, dass jetzt ein
Mehr: weniger depressive Symptome besser sind als mehr depressive Symptome.
Mehr: Da ist eine ganz klare Wertung drin, wo wir auch alle übereinstimmen würden.
Mehr: Bei der Persönlichkeit ist das aber eigentlich so nicht.
Mehr: Da gibt es jetzt kein besser oder schlechter per se.
Mehr: Deswegen rate ich immer sehr, sehr, sehr dazu, sich wirklich mal anzuschauen, ob bei geringeren Merkmalsausprägungen, was sind denn da eigentlich die Stärken, die damit möglicherweise einhergehen.
Mehr: Anstatt zu versuchen, sich selbst umzukrempeln und dann eine höhere Ausprägung zu haben.
Mehr: Einmal das auf dem individuellen Level.
Mehr: Was ist denn eigentlich mein Kontext?
Mehr: Welche Stärken bringen genau die Merkmalsausprägung mit, die ich jetzt gerade schon aufweise?
Mehr: Und auf einem gesellschaftlichen Level ist es natürlich so, dass unterschiedliche Persönlichkeiten auch mehr Vielfalt bedeuten.
Mehr: Also wenn wir jetzt alle hohe Big Five Ausprägungen hätten, dann wäre unsere Gesellschaft wahrscheinlich sehr langweilig und in der Gesamtheit auch gar nicht leistungsfähiger, weil dann hätten wir viel weniger Vielfalt.
Mehr: und nicht mehr die Möglichkeiten, diese vielen gesellschaftlichen Nischen, die es ja immer gibt, auch auszufüllen.
Mehr: Beispiel Job, es gibt sehr unterschiedliche Berufe mit sehr unterschiedlichen Anforderungen und da brauchen wir auch Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, damit wir all diese beruflichen Nischen gut und passend mit den richtigen Leuten ausfüllen können.
Mehr: Deswegen denke ich, wir sollten dieses Thema Stärken sehr differenziert betrachten und uns immer überlegen, bei den Persönlichkeitsmerkmalen, die wir schon mitbringen, was sind denn da eigentlich die Stärken?
Mehr: Welche Kompetenzen habe ich?
Mehr: Warum ist es zum Beispiel gut, dass ich eher konservativ bin oder eher introvertiert?
Mehr: Und dann kann ich mir im nächsten Schritt überlegen, was sind denn eher die Schattenseiten, die Herausforderungen im Alltag?
Mehr: Wo würde ich jetzt zum Beispiel davon profitieren, etwas offener zu sein und wie könnte ich das im Kleinen mal ausprobieren?
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Wenn man jetzt zum Beispiel Neurotizismus nimmt, Sie haben ja gesagt, es liegt schon eine sehr starke Wertung, irgendwie eine implizite Wertung auf jeden Fall drin und je nach Verfahren, also ich habe verschiedene Zertifizierungen für Big Five Variationen, ist das mit Minus und Plus, also auch sehr psychologisch unschön aufbereitet, also dass diejenigen, die das sehen, dann oft
Mehr: so eine Abwehrreaktion entwickelt haben, ist so meine Beobachtung.
Mehr: Und gerade Neurotizismus finde ich besonders kritisch.
Mehr: Erstens, weil es so heißt und zweitens, weil die Menschen, die für sich dann einen höheren Neurotizismus sehen,
Mehr: den Effekt haben, dass sie sich dann dadurch noch mal verunsichern lassen.
Mehr: Also das, finde ich, ist etwas, was gerade bei Neurotizismus für mich so augenfällig ist.
Mehr: So nach dem Motto, das ist ja, ja, ich mache mir viele Sorgen, ich mache mir viele Gedanken, das will ich eigentlich nicht haben.
Mehr: Und dann sieht man das noch mal schwarz auf weiß.
Mehr: Was kann man da machen?
Mehr: Und was sagt auch die Forschung zu diesem Merkmal, wie viel
Mehr: Spielraum ist da drin, also es gibt ja einen Zusammenhang glaube ich zu bestimmten Burnout oder Themen, die vielleicht auch mit Depressionen zu tun haben.
Mehr: Also was kann ich da machen, wenn dieses Merkmal speziell für mich im Test oder gefühlt ausgeprägter ist?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Ja, dieser Begriff Neurotizismus, der ist tatsächlich so ein bisschen unschön problematisch, weil der sehr stark mit diesem Neurosebegriff zusammenhängt.
Mehr: Und dieser Neurosebegriff, der ist auch sehr weit, sehr schwammig, sehr stigmatisierend.
Mehr: Deswegen sprechen wir häufig von emotionaler Stabilität als dem Gegenstück von Neurotizismus.
Mehr: Also jemand mit einer hohen
Mehr: Emotionalen Stabilität, der hätte jetzt geringe Neurotizismuswerte, obwohl dieses Konzept mehr oder weniger das gleiche beschreibt, nur eben umgekehrt.
Mehr: Aber emotionale Stabilität ist etwas wertneutraler.
Mehr: Und dann ist es so, ja gerade bei diesem Merkmal, da können wir mal reinschauen, so in die klinische Psychologie beziehungsweise in die Interventionsforschung, da gibt es die Beobachtung, dass wenn ich
Mehr: Ja, versuche etwas einfach wegzuschieben und da wenig Akzeptanz für den Ist-Zustand habe, dass dann die Symptome eher stärker und nicht schwächer werden.
Mehr: Wenn ich jetzt zum Beispiel jemand bin, der im Alltag eher
Mehr: Wenn ich jemand bin, der im Alltag eher melancholisch, traurig ist, dann bringt mir das herzlich wenig, wenn ich mir immer wieder sage, jetzt bin ich einfach mal gut drauf und ich habe richtig gute Laune oder jetzt bin ich schon wieder schlecht drauf, weil das ja dann noch negative Emotionen auslöst.
Mehr: Also die Wahrscheinlichkeit, dass der Ist-Zustand eher stärker als schwächer wird, der ist sehr viel höher.
Mehr: Deswegen gibt es neuere Therapieansätze, zum Beispiel aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie.
Mehr: Da geht es erstmal darum, wertfrei zu akzeptieren, wie der Zustand gerade ist.
Mehr: Also, dass ich mich nicht noch zusätzlich darüber aufrege, dass ich jetzt gerade traurig oder ängstlich oder besorgt bin.
Mehr: sondern versuche das erstmal so zu beobachten.
Mehr: Welche Gefühle habe ich eigentlich gerade, ohne die gleich so zu werten, in Schubladen zu packen und da versuche das zu verdrängen, das wegzudrücken, das Gewaltsame umzukrempeln.
Mehr: Man kann natürlich trotzdem versuchen, an sich zu arbeiten.
Mehr: Also man kann versuchen, das erst mal zu akzeptieren, sich wertzuschätzen und zu sagen, ja, ich bin eine eher ängstliche Person und das ist okay, dass das so ist.
Mehr: Und gleichzeitig kann man sich überlegen,
Mehr: Wie könnte ich das denn vielleicht schaffen, meine Angst abzubauen oder hier und da mich meinen Ängsten zu stellen, indem ich mich zum Beispiel mit Situationen konfrontiere, die mir eher unangenehm sind, wo ich eher Respekt vorhabe.
Mehr: Also man kann sich gleichzeitig akzeptieren und annehmen, so wie man ist, ohne sich selbst ja auch noch runterzumachen, zu verleugnen.
Mehr: Und gleichzeitig kann man trotzdem versuchen, sanft
Mehr: Wie könnte ich denn da eine Veränderung auslösen oder was hilft mir dabei, besser mit diesen Gefühlen umzugehen?
Mehr: Gerade Neurotizismus ist auch eine Persönlichkeitseigenschaft, die sehr viel mit Gefühlen zu tun haben.
Mehr: Und da wissen wir auch aus der Psychotherapieforschung, dass man Gefühle nicht direkt verändern kann.
Mehr: Sie können sich nicht sagen, ach, jetzt bin ich heute mal richtig gut drauf, das wird so nicht funktionieren, sondern Gefühle verändern sich immer durch
Mehr: Veränderungen in Gedanken oder in Verhaltensweisen, indem Sie jetzt zum Beispiel was machen, was Ihnen in der Regel viel Freude bereitet, könnten Sie dadurch Ihre Stimmung verbessern oder indem Sie im Alltag versuchen, die Perspektive zu wechseln, zum Beispiel Dinge nicht mehr ganz so schwarz zu sehen oder da auch aktiv die positiven Aspekte zu würdigen.
Mehr: Das wären aber dann so indirekte Veränderungen, die also immer gehen über Gedanken und Verhaltensweisen und nicht über die Gefühle direkt.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Aber ich merke, also ich mache das zum Beispiel auch mit unserer Ausbildungsgruppe, so ein Big Five, damit die das mal für sich gemacht haben, dass schon oft so eine gewisse Bewertung da drin ist, dass man sehr stark gegensteuern muss und bewusst machen muss,
Mehr: Schau mal, was ist denn der Wert da drin, dass du dir jetzt Sorgen machst?
Mehr: Oder was ist denn der Wert da drin, dass du nicht immer sofort die Dinge aussprichst?
Mehr: Dass es nicht so ein Selbstläufer oft ist.
Mehr: Also das braucht schon irgendwie einen Kontext und so Ermutigung und deswegen
Mehr: Da frage ich mich so ein bisschen, ob diese Tests wirklich immer so hilfreich sind, vor allen Dingen jetzt in Kontexten, wo das nicht so aufgefangen werden kann.
Mehr: Was ist da so Ihre Position zu?
Mehr: Also wenn man so ein Testergebnis sieht und das macht eine Führungskraft, also die Führungskraft ist nicht ausgebildet, sie kann das gar nicht so stark reflektieren wie jemand, der jahrelang damit zu tun hatte.
Mehr: Ich persönlich bin da irgendwie sehr kritisch.
Mehr: SPEAKER 3
Mehr: Ich denke, das sollte man keinen Leuten geben, die zum Beispiel in der Führungsposition dann auf den neuen Mitarbeiter, neue Mitarbeiterinnen mit Big Five oder Big Five-Variation gucken.
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Im Prinzip ist es immer wichtig, dass man psychologische Tests einbettet, die professionell anwendet und dann nicht Laien, die noch nie was von dem Test, von dem Konstrukt gehört haben, einfach das Ergebnis hinknallt.
Mehr: Das ist immer wichtig, das einzubetten und auch vernünftig zu erklären.
Mehr: Und dann ist es wichtig, dass man überhaupt erstmal den richtigen Test anwendet.
Mehr: Also es gibt ja gerade in der Persönlichkeitspsychologie viel so
Mehr: Typentests, zum Beispiel diesen Meyer-Briggs-Type-Indicator.
Mehr: Und das ist das eigentliche Dilemma, dass gerade in der Anwendung noch ganz häufig, selbst bei großen Unternehmen, bei großen Konzernen, Tests angewendet werden, die wissenschaftlich, ja, nachweislich eher humbug sind.
Mehr: Also da können Sie sich auch ein Horoskop durchlesen.
Mehr: Aber die bringen wenig Erkenntnisgewinn und da ist es wichtig, denke ich, dass man die Zeit, die finanziellen Ressourcen in Testverfahren investiert, die Hand und Fuß haben, wo wir auch wissenschaftlich sagen können, das sind sinnvolle, stimmige Tests, die dann auch wertvolle Informationen liefern.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Ja, aber die Leute lieben es.
Mehr: Das muss man leider so sagen.
Mehr: Je bunter, je mehr mit Bildern, je einfacher, desto eher mögen sie das.
Mehr: Das betrifft den MBTI, das betrifft auch DISC und das führt, finde ich, ja zu so einer
Mehr: Schubladendenke.
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Genau, eine Etikettierung, weil man sich einfach einen Typen zuordnet.
Mehr: Natürlich ist das lustig und hat einen gewissen Unterhaltungswert, wenn ich mich dann mit meinen Kollegen oder Freunden darüber austauschen kann, welcher Typ ich denn bin, welcher Typ sie sind und so weiter.
Mehr: Aber es ist einfach wissenschaftlich sehr unsinnig und
Mehr: Ja, das halte ich auch für ethisch problematisch, das dann von der ja von oben her dann auch noch zu promoten und ja als professionelles oder pseudoprofessionelles Tool einzubetten in irgendwelche Personalentwicklungsmaßnahmen.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Weil was passiert denn dann, wenn man das macht?
Mehr: Also wenn man auf dieser Basis irgendwie Entscheidungen trifft oder selbst wenn man keine expliziten Entscheidungen trifft, man ist ja voreingenommen.
Mehr: Also eine Führungskraft sieht so, da ist jemand rot, grün, blau, keine Ahnung.
Mehr: Allein, dass man das sieht, macht ja was mit einem.
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Also einmal, dass ich möglicherweise Personen stigmatisiere, weil ich ihnen irgendwelche Typen zuordnen, die aber eigentlich wissenschaftlich
Mehr: Ja, gar nicht passend sind.
Mehr: Wir können Menschen nicht einfach irgendwelchen Persönlichkeitstypen zuordnen.
Mehr: Und dann ist es auch ein Zeit- und Ressourcenverlust.
Mehr: Also ich kann es dann auch einfach sein lassen oder ich kann Horoskope lesen, anstatt solche Tests einzusetzen.
Mehr: Und da wäre sowohl das Unternehmen als auch die Personen alle wären besser beraten, da andere Tests einzusetzen, selbst wenn die vielleicht nicht ganz so unterhaltsam sind wie irgendwelche Typen-Indikatoren.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Ich möchte zuletzt noch mal auf das Thema Kontext zurückkommen.
Mehr: Also wie bedeutsam ist eigentlich die Prägung durch den Kontext und wie sehr kann das wirklich die eigenen Big Five auch verändern?
Mehr: Gibt es da irgendwie auch neuere Studien oder Dinge, die da vielleicht gerade angefangen worden sind, die diesen Aspekt vielleicht noch mal stärker rausgreifen, weil
Mehr: Ich das einfach sehe, dass Menschen, die zum Beispiel sehr früh unterschiedliche Kontexterfahrungen gemacht haben, sprich, die waren in ganz anderen Kulturen, die waren im asiatischen Raum, die waren wo auch immer und haben auch vielleicht gewechselt, das sind einfach andere Menschen, die oft sehr, sehr viel ausgewogener sind.
Mehr: Und deswegen fällt es mir schwer, das zu so einem großen Teil auf Erbe
Mehr: oder Anlage zurückzuführen?
Mehr: Weil ich glaube, dass da mehr drin steckt, als man sieht oder vielleicht auch in der Vergangenheit in der Forschung gesehen hat.
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Ja, also ein wichtiger Faktor ist ja erstmal das Elternhaus.
Mehr: Ich kann ja auch als Eltern mein Kind ermutigen, sich mit neuen Dingen auseinanderzusetzen und es darin zu stärken.
Mehr: Oder ich kann
Mehr: Ja, eher ängstlich sein, zurückhaltend und das Kind auch eher ausbremsen, was diese Exploration betrifft.
Mehr: Das ist ein wichtiger Faktor.
Mehr: Was habe ich da von meinen Eltern mitbekommen?
Mehr: Das ist natürlich gleichzeitig auch mit den Genen konfundiert, weil ich ja von meinen Eltern in der Regel sowohl die genetische Disposition für mehr Offenheit mitbekomme, als dann auch diese Anleitung im Elternhaus.
Mehr: Also häufig
Mehr: Es sind genetische Disposition und Umwelt gerade in der Kindheit in der Familie aneinander gekoppelt.
Mehr: Und im Erwachsenenalter,
Mehr: Wissen wir das auch?
Mehr: Also wir haben uns verschiedene Lebensereignisse zum Beispiel angeschaut.
Mehr: Welche Rolle spielen die denn für die Persönlichkeitsentwicklung?
Mehr: Und da konnten wir zeigen, dass es vor allen Dingen Lebensereignisse sind, die eine sehr klare neue Rollenanforderung mit sich bringen, die dann auch mit einer Persönlichkeitsveränderung einhergehen.
Mehr: Zum Beispiel zeigen sich recht große
Mehr: Konsistente Effekte auf die Persönlichkeit bei beruflichen Veränderungen wie dem Berufseinstieg?
Mehr: Berufseinsteigende, die werden im Schnitt etwas extrovertierter, verträglicher und vor allen Dingen auch gewissenhafter.
Mehr: Wahrscheinlich, weil es da eine recht klare Rollenanforderung gibt.
Mehr: Also ich fange an zu arbeiten und dann bin ich da in einem beruflichen Umfeld, wo ich sehr genau weiß, was von mir erwartet sind, was meine Rollenanforderungen sind und denen versuche ich dann in der Regel zu entsprechen.
Mehr: So erklären wir uns die Persönlichkeitsveränderung.
Mehr: Und überraschend wenig Veränderungen finden wir bei privaten Ereignissen, zum Beispiel bei der Geburt eines Kindes.
Mehr: Da findet man nicht, dass die Gewissenhaftigkeit danach ansteigt, was ja erstmal kontraintuitiv ist, für viele Eltern sehr überraschend, weil man natürlich Verantwortung übernimmt für ein
Mehr: Neues Lebewesen für sein Baby.
Mehr: Und da könnte eine Erklärung sein, dass diese Rollenanforderungen im Privaten weniger klar sind.
Mehr: Ich habe zwar vielleicht eine Idee davon, was mich als gute Mutter oder Vater ausmachen würde, aber da ist jetzt niemand, der Tag und Nacht neben mir steht und mir sagt, ja das hast du jetzt
Mehr: Gut gemacht, hier solltest du dich nochmal anders verhalten.
Mehr: Das ist sehr viel impliziter im Privaten.
Mehr: Was glaube ich, wie ich mich verhalten sollte?
Mehr: Und auch diese Feedback-Prozesse sind deutlich weniger stark ausgeprägt.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Daraus würde ich jetzt für mich den Schluss ziehen.
Mehr: Es geht um klare Rollenanforderungen und die können durchaus dazu beitragen, dass man auch sich anders verhält.
Mehr: Und Feedback spielt eine große Rolle.
Mehr: Kriege ich Feedback?
Mehr: Welche Art von Feedback bekomme ich?
Mehr: Das wäre jetzt so, sehen Sie, eben nicht okay.
Mehr: Ja, dann vielleicht noch dazu abschließend.
Mehr: Was würden Sie Menschen, die mit Transformationen, mit Change-Prozessen zu tun haben,
Mehr: auf den Weg geben?
Mehr: Also solchen Menschen, die wiederum ihrerseits mit Menschen zu tun haben, die irgendwie ihr Verhalten der neuen Situation anpassen sollen.
Mehr: Also was sollten die bedenken?
Mehr: SPEAKER 1
Mehr: Erstmal sowohl in Bezug auf die Gruppe als auch in Bezug auf die einzelnen Personen schauen, was ist das eigentlich für ein Mensch?
Mehr: Welche charakteristischen Merkmale bringt diese Person mit?
Mehr: Und was sind die Stärken und Ressourcen daran?
Mehr: Also nicht direkt auf das Problem oder die vermeintlichen Defizite fokussieren,
Mehr: Und dann im nächsten Schritt überlegen, wo gibt es denn noch Entwicklungspotenzial?
Mehr: In welchen Situationen wäre möglicherweise ein anderes Verhalten, ein anderer Ansatz wünschenswert?
Mehr: Und wie kann ich die Person darin anleiten, unterstützen, sich hier und da in ganz konkreten Situationen anders zu verhalten?
Mehr: Und auch da kann man dann als Vorbild vorangehen und zum Beispiel gemeinsam auch
Mehr: Ja, den Prozess gestalten, dass man jetzt zum Beispiel eine ganz bestimmte Aufgabe mal etwas anders strukturiert und durchführt und da auch als Vorbild vorangeht, was diese Bearbeitung der Aufgabe betrifft.
Mehr: SPEAKER 2
Mehr: Ja, dann vielen, vielen Dank für die Erkenntnisse und Einblicke in die Big Five, was die Big Five sind.
Mehr: Das werde ich auch noch mal in dem dazugehörenden Beitrag beschreiben für diejenigen, die da sich noch nicht so sicher drin bewegen.
Mehr: Und ich bedanke mich bei Ihnen für die Einblicke auch in die neue Forschung und in die, ja, auch in die Stärken der Big Five, die manchmal
Mehr: Ja, durchaus bei einigen unterschätzt werden.
Mehr: Also vielen lieben Dank.
Mehr: Sehr gerne.
Mehr: Ja, vielen Dank, dass du bis hierhin zugehört hast.
Mehr: Ich fand, das war ein sehr interessantes Gespräch, das auch mir noch einige neue Perspektiven gegeben hat.
Mehr: Für mich neu war zum Beispiel die Information, dass Führungskräfte, wenn sie einen Karriereschritt machen, sich auch nochmal in ihren Big Five anpassen und verändern.
Mehr: Und das war insofern für mich interessant, weil ich finde das weniger relevant, jetzt nur mit dem Big Five da zu denken und zu argumentieren, sondern sich auch die Frage zu stellen, wie müssen wir den Kontext, das Umfeld gestalten, damit die Menschen immer wieder auch neue Anreize bekommen,
Mehr: sich zu verändern.
Mehr: Natürlich immer nur dann, wenn es auch sinnvoll ist.
Mehr: Aber ich glaube, Stabilität ist sicherlich von Vorteil.
Mehr: Aber in manchen Situationen kann es auch hilfreich sein, von außen einen Impuls zu geben, der die Veränderung möglich macht.
Mehr: Immer im Sinne der Menschen, immer im Sinne des Weiterkommens und der persönlichen Entwicklung.
Mehr: Ja, wenn dir dieser Podcast gefallen hat, ich bin ja noch relativ am Anfang, würde ich mich natürlich sehr freuen, wenn du mir eine Fünf-Sterne-Bewertung gibst, zum Beispiel bei Apple Podcasts.
Mehr: Ja, und das hilft mir natürlich erstens eine Orientierung zu bekommen und zweitens eine gewisse Regelmäßigkeit.
Mehr: in diese Podcast Serie Weiterdenken zu bringen.
Mehr: In diesem Sinne wünsche ich dir einen schönen Tag, eine schöne Woche, wo immer du auch bist und lass es dir gut gehen.
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