Gruppendynamik verstehen

Shownotes

Was ist in einem Team anders als in einer Gruppe? Wie führt man es? Und geht es wirklich um Vertrauen oder doch mehr um Macht?

Svenja Hofert interviewt Prof. Dr. Olaf Geramanis in seiner Funktion als Wissenschaftler und Praktiker. Im Mittelpunkt stehen Themen wie die sinnvolle Differenzierung von Begriffen wie Team und Gruppe sowie die Frage, was erfolgreiche Teamarbeit wirklich braucht. Vertrauen oder eher Misstrauen? Und was ist überhaupt mit Autorität und Führung? Das alles wird mit vielen praktischen Beispielen durchaus stellenweise kontrovers diskutiert.

Hören Sie ein vielseitiges Gespräch rund um Themen, die alle betreffen, die Teamwork in ihrer Organisation verstärken und die Mechanismen verstehen möchten.

  • Weitere Informationen über das Thema Gruppendynamik und die Psychologoe der Veränderung: Diese erhalten Sie auf dem Substack-Kanal von Svenja Hofert. Dort gibt es auch ein Transcript und Vertiefung.´

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Svenja: Lieber Olaf, ich habe dich kennengelernt vor vielen Jahren, du wirst es nicht wissen, über ein Buch. In diesem Buch hast du über Dinge wie Individuum in Gruppe geschrieben, hast also den systemischen Zusammenhang von Gruppen und Teams bearbeitet. Das ist vielleicht kein gutes Wort, aber war ein sehr spannendes Buch für mich, weil es eine andere Perspektive hat. Und ich freue mich deswegen, dass du hier bist, weil du bist ein Experte für das Thema Gruppendynamik. Ist das richtig? Das kannst du gleich selber sagen. Also wenn du dich mal vorstellst, unseren Zuhörern und Zuhörerinnen.

OLAF GERAMANIS: Ja, liebe Svenja, vielen Dank für die Einladung. Und habe ich tatsächlich nicht gewusst. Freut mich, dass du so auf mich aufmerksam geworden bist über mein Mini -Handbuch Gruppendynamik. Ja, da habe ich genau, da habe ich viel Herzblut reingepackt, wo ich gedacht habe, ich würde gern mal meinen Ansatz reinschreiben, wie ich so Gruppendynamik verstehe, mache ich seit bald 20 Jahren. Bin hier in der Schweiz an der Hochschule für Soziale Arbeit, der Fachhochschule Westschweiz in der Weiterbildung tätig.

Svenja: Genau, das war das.

OLAF GERAMANIS: unterrichte dort oder leite einen Weiterbildungskurs in Change und Organisationsdynamik, wo man Supervision, Coaching und Organisationsberatung selber erlernen kann, nachher als entsprechender Beraterin unterwegs zu sein. Und in dem Zusammenhang habe ich mich eben auf den gruppendynamischen Ansatz spezialisiert, so der Frage nachzugehen, was passiert da in Gruppen? Wie stimmen sich die Menschen da miteinander ab? Wann gelingen Beziehungen? Also es ist so eine Mischung aus ganz unterschiedlichen auch wissenschaftlichen Richtungen. Ich finde systemisch kann man viel erklären. Handlungstheoretisch, auch aus der Soziologie kommt, kann man eine andere Seite erklären, was die Menschen da miteinander abstimmen, wie sie Kooperation erreichen. Und gruppendynamisch kann man auch noch mal drauf schauen, nämlich wo geht schief, wo muss man nachsteuern, wo passieren irgendwie unkontrollierte Dinge. Also ein ziemlicher Spannungsfeld.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Nach wie vor noch viel Spaß machen.

Svenja: Ja, ich glaube du warst auch mal bei der Bundeswehr vom Lebenslauf und bist Pädagoge.

OLAF GERAMANIS: In meinem früheren Leben, genau wo war ich zuerst zwölf Jahre lang beim Militär, habe dort an der Universität der Bundeswehr Erziehungswissenschaften studiert und dann eben nach der Bundeswehrzeit dann an die Hochschule.

Svenja: Ja, wir wollen heute über unterschiedliche Themen reden, die einen Praxisbezug haben. Also du hast mal einen Kongress zum Thema Macht gemacht und es geht Rang und Rolle, was ich auch super spannend finde und die Abgrenzung von Team und Gruppe. Und ich versuche mal, dass wir das so möglichst praktisch für die Zuhörerinnen hinkriegen, weil ich habe auch so ein paar konkrete Beispiele mitgebracht. Aber bevor wir da einsteigen, würde ich einfach mal mit so ein paar polaritäten beginnen. Die eine ist Organisation und Gruppe. Also es ist wahrscheinlich auch gar keine Polarität, aber wenn du diese beiden Begriffe hörst, wie würdest du die mit praktischem Leben füllen?

OLAF GERAMANIS: Also ich finde es eine richtig große Polarität. Schön, dass wir darüber einsteigen können. Das, was mir richtig Spaß macht, ist Begriffen auf den Grund zu gehen. Also was bezeichnet einen Begriff und was bezeichnet er nicht? Und ich finde, es gibt keinen unklareren Begriff als Gruppe. Weil Gruppe kann irgendwie, eine Familie ist eine Gruppe, zwei Leute sind eine Gruppe, eine Abteilung ist eine Gruppe.

Svenja: Hahaha.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Ich finde das einen völlig unklaren Begriff und wenn ein Begriff nichts bezeichnet, dann ist er eigentlich sinnlos. So, dann macht er keinen Unterschied. Genau. Worin macht Gruppe Unterschied? Genau. Und jetzt ist die Frage, wogegen können wir Gruppe so klar unterscheiden, dass es wirklich sinnvoll ist, es abzugrenzen? Und dann sagt man, naja, eine Gruppe hat zwischen fünf bis zwölf Personen, denke ich so. Das ist noch kein Kriterium. Was sind fünf bis zwölf Personen?

Svenja: dann macht er keinen Unterschied, oder? Also ein Unterschied ist das, was einen Unterschied macht.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: oder es gibt irgendwie ein Zugehörigkeitsgefühl. Das ist auch kein Kriterium. Und das Interessante ist, diese Diskussion ist schon mal in den 1970er Jahren gewesen, als es auch so im Boom der Systemtheorie darum ging, inwiefern ist Gruppe ein eigenes System, also neben Interaktion, Organisation und Gesellschaft, was Luhmann festgelegt hatte als eigene Systeme. Und da gab es schon die Überlegung, inwiefern ist es was einzigartiges, die Gruppe. Den Diskurs hat vor drei, vier Jahren Stefan Kühl nochmal aufgenommen. Und das Kriterium, was er genommen hat, finde ich richtig gut und auch klar. Er sagt, in Gruppen geht es Personenorientierung. Und insofern hat das quasi auf ein Maximum reduziert. Also er sagt, alles andere können wir erstmal weglassen. Wir haben es mit einer Gruppe zu tun, wenn sich Gruppen, wenn sich die Personen auf die anderen Personen jeweils konzentrieren und fokussieren. und wenn ich weiß, wer sind die anderen Personen. Also wir müssen uns wirklich intensiv aufeinander einlassen. Also ich muss wissen, wer bist du und wer sind noch die anderen drei, vier, fünf Leute. Über die muss ich Bescheid wissen und ich kann auch die Erwartung haben, dass die über mich Bescheid wissen. Und jetzt kriegt man so eine Idee, dass es ein Freundeskreis zum Beispiel. Bei einem Freundeskreis oder bei einer Peer -Gruppe kriege ich so eine Idee, wie sowas funktionieren kann. Also dass ich die anderen Personen auf dem Schirm habe, dass ich weiß, die anderen drei, vier, fünf Personen die funktionieren so. Und jetzt merkt man auch die nächste Beschränkung auf die Zahlen. Also es kommt nicht auf die faktischen Zahlen an, sondern es kommt darauf an, wie viel kann ich quasi mental auf dem Schirm haben von den anderen Personen. Und wenn ich mich wirklich intensiv auf andere Personen einlasse, dann wird man merken, so fünf, sechs Personen kriege ich irgendwie noch hin und dann wird schon... Genau.

Svenja: Das wächst ja auch exponentiell, der Kommunikationsaufwand.

OLAF GERAMANIS: Genau, dass ich irgendwie denke, was hast du mit der anderen Person und mit den anderen drei Personen, was hab ich mit denen. Es wächst exponentiell und umso komplexer wird es. Von daher haben typische Peer -Gruppen, typische Freundeskreise, ebenso fünf bis sieben bis acht Personen. Und das ist auch dann die ideale Gruppengröße, von der man spricht. Also es kommt nicht auf die arithmetische Zahl an, sondern das Kriterium ist, inwiefern kann ich mich auf die anderen, kann und will ich mich auf die anderen Personen einlassen, inwiefern habe ich sie quasi vor Augen.

Svenja: Mhm.

Svenja: Mh.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: Und inwiefern kann ich diese Energie aufwenden, mich auf diese Leute einzulassen? Und jetzt haben wir sozusagen eine Idee, aha, wenn das Gruppe ist, dass ich mich auf die Person fokussiere, dann ist Organisation was vollkommen anderes. Nämlich die Organisation kann sich nicht darauf verlassen, dass sich die Leute lang wie ihre kennenlernen, sondern die Kooperation muss quasi quasi unabhängig von den Beziehungen funktionieren, die die Leute aufnehmen. Und deswegen haben wir es in der Organisation mit Rollen. mit Positionen zu tun. Das heißt, ein Team hat verschiedene Positionen, die aufeinander abgestimmt sind. Und wenn die Leute sich entsprechend der Position verhalten, dann klappt auch dort die Kooperation.

Svenja: damit die im Organigramm gemeinten.

OLAF GERAMANIS: Genau, und insofern ist Teams eine organisationale Einheit. Also ein Team ist keine Gruppe.

Svenja: Da kommen wir vielleicht später noch. Genau, weil die Abgrenzung, da gibt es ja wirklich auch verschiedene Ansätze. Und wir haben ja auch so eine Ausbildung, diese Abgrenzung, die ist immer schwierig. Ich habe auch mal gelernt, es gibt kleine und große Gruppen und dann die Abgrenzung von Kollektiv. Also ich glaube, da ist eine Menge dahinter. Und ich denke, es ist sinnvoll für die Hörer hier den wirklichen praktischen Bezug herzustellen. Und ich glaube, dieses Thema mit den

OLAF GERAMANIS: Absolut.

Svenja: Ich kann in Beziehung gehen. Ich habe eine Kommunikation. Das ist, glaube ich, ganz wesentlich für Gruppen, würde ich jetzt so sagen. Auch was ich bei dir gelesen habe. Wenn du auf Organisation schaust, also du beziehst dich auf Kühl, dann ist das ja was ganz ganz anderes.

OLAF GERAMANIS: Genau, also der Vorteil der Organisation und die große Errungenschaft der Organisation ist, dass sie Kooperationsprozesse rational organisiert. Und insofern würde ich bei Kooperation eher von Koordination sprechen. Das heißt, die Art und Weise, wie Arbeit erbracht wird, kann im Vorfeld koordiniert werden. Also das klassischste Beispiel ist Fließbandarbeit. Wenn wir eben ein Fließband haben, dann ist die Arbeit zerteilt. Das heißt, wir haben die unterschiedlichen einzelnen Schritte, die müssen nachher zusammengefügt werden und am Ende kommt ein Ganzes raus. Die jeweiligen Arbeiter, Arbeiterinnen, die am Fließband stehen, die müssen sich nicht miteinander unterhalten. Als Organisation braucht eigentlich keine Kommunikation, weil die Arbeitsschritte vorab definiert sind. Das heißt, wenn ich... Die reden halt auch noch, aber...

Svenja: Naja, wenn da die Menschen nicht wären. Ja, genau, wenn da die Menschen nicht wären und man ihnen das auch gar nicht unterbinden könnte, dass sie vielleicht auch mal Gruppen bilden. Genau.

OLAF GERAMANIS: Genau! Genau, also immer viel Kommunikation schafft auch viel Missverständnis. Das Problem ist in der heutigen Arbeit, also gerade unter der Stichwort Agilität und Selbstorganisation, kommen wir ja weg von diesen vorgeschriebenen Aufgaben. Also wenn ich heute Teilnehmerinnen und Teilnehmer frage, habt ihr noch ein Aufgabenbeschrieb? Also das, was ihr in eurer Arbeit machen müsst, dann heißt das, nee, haben wir eigentlich nicht mehr. Das heißt, die Kooperation und die Art und Weise, wie Leistung erbracht wird, hängt heute mehr und mehr davon ab.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: wie die Leute sich aufeinander abstimmen. Das heißt, die vorgegebene Rolle...

Svenja: Genau, also die Kommunikation spielt eine große Rolle da, wo es nicht so richtig beschrieben ist und da wo jetzt auch du kannst ja nicht davon ausgehen, dass das, was in der Stelle steht, auch das ist, was tatsächlich dann umgesetzt wird. Und wenn man die Agilen Konzepte hat, schon mal gar nicht.

OLAF GERAMANIS: Genau. Also gerade wenn wir es mit offenen Ausgängen zu tun haben, also Innovationsarbeit, Dienstleistungsarbeit, ist ja was, was man nicht im Voraus programmieren kann, sondern die Leute müssen sich miteinander abstimmen. Das heißt, die müssen miteinander reden. Und jetzt haben wir es plötzlich, also plötzlich in Anführungsstrichen, mit Menschen zu tun. Das heißt, wenn ich mit dir ein neues kreatives Produkt entwickeln muss,

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: dann muss ich mich auf dich einlassen. Ich muss wissen, wie tickst du eigentlich, was magst du, was magst du nicht. Das ist natürlich die Frage, ob ich das... Genau. Vielleicht ist es freiwillig, vielleicht macht es Spaß, vielleicht ist es erzwungen, aber es ist eine richtig komplexe Angelegenheit, die nicht vorprogrammiert ist. Und jetzt plötzlich, also plötzlich begegnen wir uns als Menschen. Das heißt, ich kann nicht sagen, Svenja, wie sieht deine Rolle aus?

Svenja: Muss oder darf? Das ist auch hier die Frage. Wer sagt mir das? Ist es vielleicht sogar freiwillig?

OLAF GERAMANIS: Ich gebe ihm meine Gebrauchsanweisungen, wie ich mit ihr umzugehen habe, sondern ich muss irgendwie gucken, wie kriegen wir das hin. Und das ist...

Svenja: Das gegenüber sieht mich ja auch in der Rolle, die er oder sie sieht. Das hat vielleicht gar nichts damit zu tun, was da irgendwo geschrieben ist oder was ich so verstehe.

OLAF GERAMANIS: Genau. Und der Satz nimmst nicht persönlich fällt plötzlich ganz schwer, weil wie soll ich es denn sonst nehmen als nicht persönlich, wenn ich gar nicht weiß, was ist deine Rolle, was ist deine Position, wo bist du persönlich, wo bist du privat, was hast du für Vorlieben. Also wir haben hier eine ganz große Vermischung zwischen quasi sachlicher, organisationaler Ebene und persönlichen Leidenschaften, Eigenschaften, Interessen, Vorlieben, Spezialität.

Svenja: Mmh.

Svenja: Das ist der berühmte Satz von Brian Robertson, divide, oder ich weiß gar nicht ob gesagt, divide, role and soul. Was natürlich quasi unmöglich ist, finde ich.

OLAF GERAMANIS: Genau, natürlich ist es schon immer vermischt gewesen. Natürlich hat man sich auch früher in sehr bürokratischen Kontexten leidenschaftlich einbringen können. Aber die Trennung war noch klarer. Auch dieser Satz Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Das macht irgendwie klar, wenn 17 Uhr ist, kann ich den Löffel fallen lassen.

Svenja: Seitdem ich im Job bin ehrlich gesagt nicht. Und ich bin jetzt nicht mehr die Jüngste. Also Dienst ist Dienst. Ich habe es nicht erlebt.

OLAF GERAMANIS: Ich glaub...

OLAF GERAMANIS: Genau, also das ist natürlich eine ziemliche Vermischung, die auch herausfordernd ist. Also wenn ich nur abends 8 Uhr noch meine E -Mails anschaue, wenn ich auch noch 9 und 10 Uhr irgendwie da über was nachdenke, wenn ich irgendwie mit Leuten sowohl privat und befreundet bin, als auch mit ihnen arbeite, dann haben wir es immer mit diesen Vermischungen zu tun. Und diese Vermischungen finden faktisch immer statt. Tatsächlich finde ich es mehr und mehr riskant, weil ich das Gefühl habe, dass sie vorsätzlich von Organisationen vermischt werden.

Svenja: Ja, dass es vorsätzlich ist, dass es sozusagen die Leute mit Haut und Haaren sozusagen in sich aufzunehmen. Genau, also bringen das Privatleben nach Hause und gerne per du sind so Stichwörter.

OLAF GERAMANIS: Genau.

OLAF GERAMANIS: Genau, gerne per du, bring dich leidenschaftlich ein, engagier dich. Genau. Und dann denke ich so, Moment, jetzt stimmt was nicht, weil die Organisation letztlich mich nicht adoptiert. Also die Organisation bleibt Organisation. Sie hätte gern von mir...

Svenja: Bring dich leidenschaftlich ein mit Haut und Haaren.

Svenja: Genau, und dann muss ich sparen. Dann muss ich sparen. Und dann komme ich fast schon zu meinem Beispiel. Aber ich will ja neugierig machen, damit die Leute und die Hörer hier dranbleiben. Genau. Also tolle Abgrenzung. Es gibt zu diesem Podcast auch weitere Verlinkungen, wo das noch mal zum Nachlesen auch da ist. Also Organisation, Gruppe, wirklich ganz wichtig. Eine zweite Gegenüberstellung ist Team und Gruppe.

OLAF GERAMANIS: Obdicht!

Svenja: Da greife ich so ein bisschen vor, ich habe gelesen, an einem Punkt würde ich das anders sehen oder ich habe es noch nicht richtig verstanden. Du sagst, das Team ist auch immer in der Organisation, also in den organisationalen Strukturen des Organigramms. Meine Erfahrung gerade im agilen Kontext ist, wir haben ja Ablauforganisation und wir haben kein Organigramm mehr und wir haben ja häufig Strukturen, wo sogenannte Teams dann aktiv sind, die aber keine offiziellen Grenzen bekommen. Im agilen Kontext Ablauforganisationen ja, aber sonst oft nicht. Also da würden mich deine Gedanken und ich glaube die Zuhörerinnen auch sehr interessieren.

OLAF GERAMANIS: Also, genau, Gruppe Team. Erstmal der Teambegriff, Niklas Lumer würde sagen, es ist eine Wärme -Metapher. Also in dem Umfeld, eine Wärme -Metapher. So, Team hört sich ganz toll an. Also Teamness und Teamic und wir sind ein Team und insofern hört es sich erstmal toll an. Also man bekommt schon automatisch die Assoziation, dass da alles klappt.

Svenja: Also Gruppe, Team, ne? Eine Wärme -Metapher hört sich. Das ist super, genau, Wärme -Metapher.

OLAF GERAMANIS: dass da alle toll aufeinander abgestimmt sind und dass es großartig ist. Und es ist viel besser als alles andere. Sowieso als Gruppe ist ja sowas oder als Projekt, Team ist erst mal super. Also wir sind ein Team. Und dann kommen Führungskräfte und sagen, also mein Team hat irgendwie 30 Leute oder mein Team hat irgendwie 40 Leute. Und dann denke ich, okay, von mir aus kann es ein Team sein. Wir haben dort bestimmt keine Gruppendynamik. Und wir haben bestimmt nicht die Person auf dem Schirm.

Svenja: dass es besser ist, oder? Viel besser.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Also wenn wir nochmal die Unterscheidungen vorher genommen haben, dass eine Gruppe vor allen Dingen über Personenorientierung funktioniert, dann ist meine Überzeugung diese Gruppendynamik und das ist ja die Implikation, dass ein Team eine tolle Gruppendynamik hat. Eine Gruppendynamik ist aus meiner Sicht immer eine Personendynamik. Also dieses Gefühl von jetzt fliegen wir, jetzt tragen wir uns gegenseitig, jetzt passiert was.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: Das kriegen wir nur dann hin, wenn wir ein Gefühl füreinander haben, wenn wir zusammengehören und sagen, wow, wir fünf, sechs Personen haben uns aufeinander eingelassen und haben das geschafft. Das heißt, es ist ein Hochgradig von den Personen abhängig, mit denen wir es zu tun haben. Team ist andererseits aber immer eine organisationale Einheit, in denen die Leute eben nicht als Personen erscheinen, sondern als Rollen. Das ist auch bei der Holokratie.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: ein Beispiel, dass wir sagen, wir müssen eine Rolle finden. Also man möchte es, man möchte es oder die Organisation möchte es immer entpersonalisieren. Also die Organisation versucht schon immer, quasi etwas Objektives reinzubringen. Dass eben nicht Svenja, Olaf, Karl -Heinz und Fritz zusammenarbeiten, sondern dass man sagt, okay, die Svenja hat die Rolle, der Olaf hat die Rolle. Immer dann, wenn wir also Rolle haben, haben wir etwas Abstraktes und haben wir etwas, was auch wieder austauschbar ist. Und das ist jetzt die Gefahr.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Das heißt, ein Team alleine, also wenn wir ein Team von zwölf Personen haben, in denen die Rollen festgeschrieben sind, kann es sein, dass die Rollen besetzt sind, aber es heißt eben nicht automatisch, dass wir eine tolle Gruppendynamik haben. Es heißt noch nicht automatisch, dass sich die Leute verstehen. Verstehen tun sie sich erst dann, wenn sie wieder lernen, okay, wer bist du, wer bin ich? Und nachdem wir vorher gesagt haben, sich gut persönlich aufeinander einzustellen, kann ich mit sechs, sieben Leuten vielleicht maximal bis zu zwölf Personen, das ist so eine... Heilige Zahl in der Gruppendynamik.

Svenja: Also ich habe mal eine wissenschaftliche Studie ausgegraben im Forschungskontext, da waren es 4 ,7. Die bringe ich jetzt immer in Workshops und die Leute lachen sich dann immer tot.

OLAF GERAMANIS: Mhm. Das ist cool. Also, bin ich sofort dabei, weil ich sage, ja, stimmt. Also, drei Personen können sich richtig gut aufeinander einstellen. Vier, fünf Personen, sechs Personen auch noch. Und da sind wir bei der 4 ,7. Und das hängt mit meiner mentalen Fähigkeit zusammen, die anderen vier, fünf Personen wirklich auf dem Schirm zu haben. Insofern, Team alleine ist nicht mehr als eine organisationale Einheit. Also, ob das eine Abteilung ist. eine Untergruppierung, ein anderer Bereich. Der neutrale Begriff impliziert nicht automatisch, dass wir Gruppendynamik zu tun haben. Die Gruppendynamik kommt erst dann, wenn die Menschen die Möglichkeit, den Willen und die Fähigkeit haben, sich aufeinander einzulassen.

Svenja: Und das kommt ja so sicher wie, in der Küche sagt man heute vielleicht gar nicht mehr, aber es kommt sicher, glaube ich. Und ich glaube, das Thema beim Teambegriff ist, ich fand da eine klare Differenzierung, hier ist eine Task eine Aufgabenbeziehung versus hier ist eine Personalebeziehung sehr, sehr gut. Denke aber, dass gerade in dem Task noch unglaublich viel Luft ist. Also ist das so, dass wir gemeinsam einen Film machen? Oder ist das so, dass wir sozusagen parallel nebeneinander herarbeiten? Also die Abhängigkeit spielt aus meiner Sicht eine sehr große Rolle und die ist ja umso größer, desto komplexer die Aufgabe ist. Und deswegen würde ich fast sagen, die Gruppendynamik ist irgendwann unvermeidbar.

OLAF GERAMANIS:

Svenja: Weil bei einer Gegenseite, du kannst nicht, ich kann nicht ohne dich, Olaf. Wenn du nicht lieferst, es geht einfach nicht. Also da muss ich doch auf, muss ich doch auf die persönliche Ebene gehen. Da muss ich doch gucken, wie tickt der Olaf, damit ich das kriege, was ich haben will.

OLAF GERAMANIS: Also... Ja und nein. Natürlich steht die Aufgabe im Vordergrund innerhalb der Organisation und natürlich ist es wichtig, dass wir eine Aufgabe haben. Selbst bei einer Peer Group oder bei einer Freundes Group, wenn die sich ausschließlich nur irgendwie treffen, zu sprechen, funktioniert das nicht lange. Die müssen sich schon auch was vornehmen. Die nehmen sich dann eine Wanderung vor oder die nehmen sich ein Projekt vor oder die machen was. Also quasi eine Aufgabe, an der man sich gemeinsam auch irgendwie erkennen kann, challengen kann und wachsen kann.

Svenja: ...

OLAF GERAMANIS: Innerhalb der Organisation ist die Aufgabe vorgegeben und wie du sagst, es gibt Abhängigkeiten, Notwendigkeiten, dass wir es auch erledigen müssen. Jetzt ist aber nicht automatisch gewährleistet, dass es klappt, dass wir miteinander zu Schlag kommen und dass wir uns nicht streiten. Und die Frage ist, inwiefern hat jetzt die Organisation Vorkehrungen getroffen, dass wir auch darauf schauen? Also bei Scrum ist es ja institutionalisiert. Also wir haben die Review, wo wir auf den Task schauen, wo wir gucken, haben wir die Aufgabe erledigt. Und wir nehmen uns Bewusstheit in der Retrospective, wo wir sagen, und wie haben wir denn miteinander gearbeitet? Das heißt, wie hat denn unsere Zusammenarbeit geklappt? Also quasi diese Retrospective ist etwas, was in der Organisation erst mal gar nicht strukturell vorkommt. Nämlich darauf zu schauen, wie haben wir denn wirklich, wie sind wir denn miteinander umgegangen? Die Organisation hat das quasi ausgeklammert, weil sie gesagt hat, die Rollen sind hinreichend aufeinander abgestimmt. dass wir quasi jetzt nicht großartig therapeutisch oder coachingmäßig umgehen müssen. Je weniger die Rollen klar sind, je mehr wir als Person miteinander umgehen, umso mehr müssen wir auch gucken, wie haben wir uns eingebracht. Und das ist eben der Ort jetzt, der im Moment von Coaching quasi eher als Troubleshooting gemacht wird und eben nicht institutionalisiert ist, obwohl es strukturell so ist, dass die Rolle uns nicht mehr erlöst, sondern wir als Menschen miteinander umgehen müssen. Und jetzt kommt noch ein wichtiger Faktor dazu, nämlich der Faktor Zeit.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: Wir kennen es, es braucht eine Zeit, sich als Menschen kennenzulernen. Und das passiert nicht auf Knopfdruck und das passiert auch nicht im Hochseilgarten innerhalb von einer halben Stunde oder durch Trommeln.

Svenja: Nein, also normal modern ist ja dieser Escape Room im Moment. Es passiert auch nicht im Escape Room.

OLAF GERAMANIS: Stimmt. Genau. Hochseilgarten war es vor zehn Jahren, heute ist es der Escape Room.

Svenja: Ja, ich glaube, so Hochseilgarten kenne ich noch. Ich wurde dazu gezwungen. Das war, glaube ich, 1999. Und ich wollte einfach gar nicht mitmachen. Aber das ist eine andere Geschichte.

OLAF GERAMANIS: Ja, aber es zahlt genau darauf ein, sich möglichst persönlich zu outen, zu gucken, wie gehen wir miteinander Und ich finde, das lässt sich ja auch professionell betreuen, aber das ist eine andere Professionalität als die organisationale Professionalität.

Svenja: Ja.

Svenja: Mhm.

Svenja: Total, ja, das sehe ich, genau wie du. Vielleicht kurz die letzte Polarität, die auch ein bisschen mit deinem Arbeitsschwerpunkt zu tun hat, Vertrauen versus Misstrauen. Wenn das überhaupt eine Polarität ist. Vielleicht ist es ja auch ein Kontinuum, keine Ahnung.

OLAF GERAMANIS: Ja, große Frage.

Svenja: Braucht man wirklich Vertrauen? Und welches Vertrauen? Also es gibt ja dieses Lencioni -Modell oder so verschiedene Ansätze, die sagen, Vertrauen ist der Anfang von allen. Und dann sag ich immer, ehrlich gesagt, manche Leute mag ich und ich find sie persönlich und vertraue ihnen. Aber ehrlich gesagt, so kompetenzorientiert vertraue ich ihnen nicht. Also ich glaube nicht, dass sie bestimmte Dinge können. Also Vertrauen ist für mich nicht gleich Vertrauen.

OLAF GERAMANIS: also ja.

OLAF GERAMANIS: Also auch das ist ähnlich wie Gruppe, ist Vertrauen auch wieder so ein semantischer Universalsack, wo man irgendwie alles und nichts mit bezeichnet. Ja stimmt, vertraust du mir? Ja und ich vertraue meinem Auto und ich vertraue der Post und ich vertraue meinen Partner. Also so und wenn alles Vertrauen ist, dann ist Vertrauen nicht mehr viel wert, da unterscheidet es sich nicht mehr.

Svenja: Wo alle sagen können, ja, oder? Das ist doch Barnum -Effekt. Natürlich vertrauen wir uns.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Einsteigen, einsteigen würde ich gerne wieder bei Numan, der den wunderbaren Satz gesagt hat, der sagt, Vertrautheit ist eine unvermeidbare Tatsache des Lebens und Vertrauen ist eine Entscheidung unter Risiko. Und das, genau, und das finde ich jetzt erstmal, da hat es bei mir erstmal Klick gemacht, dass ich gesagt habe, okay, wir müssen jetzt, wir müssen einen Zustand unterscheiden von einer Entscheidung.

Svenja: Mhm.

Svenja: eine Entscheidung unter Risiko.

Svenja: Hehehe

OLAF GERAMANIS: Also wenn er sagt, Vertrautheit ist eine unvermeidbare Tatsache des Lebens, dann heißt es, wir entscheiden uns nicht. Also wenn ich in der Familie Familie als Begriff aufwachse, dann ist mir die Familie vertraut. Da kann ich auch nicht so tun, als ob sie mir nicht vertraut ist, sondern sie ist mir einfach vertraut. Und diese Vertrautheit ist an viele Bedingungen geknüpft. Also es muss irgendwie sicher sein, es muss zeitlich lang andauernd sein. Wir müssen miteinander zu tun haben. Also Vertrautheit hat Bedingungen. Ebenso

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Wie Fremdheit. Fremdheit wäre nämlich auch eine unvermeidbare Tatsache des Lebens. Wenn ich irgendwie neu in eine Organisation komme, dann bin ich fremd, dann weiß ich überhaupt nicht, wie das hier tickt, wie die Leute ticken und was man von mir erwartet. Also quasi es gibt diese Zustände und innerhalb dieser Zustände kann ich jetzt Entscheidungen treffen. Und quasi das, ich finde Vertrauen macht nur Sinn, wenn ich gucke, in welchen Zustand oder in welcher Umwelt bin ich gerade reingeworfen und was ist jetzt eine plausible Entscheidung. Das heißt,

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Wenn ich unter Fremdheit bin, dann ist es erstmal ein bisschen absurd zu vertrauen. Also wenn ich dich überhaupt nicht kennen würde, wenn ich in einer Organisation niemanden kenne, wenn ich neu in einer Organisation bin und ein Chef und eine Chefin kommt zu mir und sagt, ich vertraue dir, ist es ein bisschen absurd. Denn worauf sollte dieses Vertrauen gründen?

Svenja: Will ich aber manchmal hören. Ich vertraue dir. Es gibt ja verschiedene Gründe, wo man so ein intuitives Vertrauen haben könnte. Ausstrahlung, genau.

OLAF GERAMANIS: Genau, dann denkt sie, wäre das schön, wenn wir jetzt...

OLAF GERAMANIS: Genau. Und das wäre dann quasi die erste Stufe, wo ich sagen würde, was für Hilfsmittel gibt es? Was für Vertrauensmarker, an die ich mich wende? Also ich könnte zum Beispiel sagen, zeig mir deine Diplome, zeig mir deine Reputation. Also früher heißt es noch so, hast du einen guten Namen oder von wem bist du empfohlen worden? Zeig mal, was du kannst. Also es gibt quasi verschiedene Kennzeichen, die ich quasi, oder auch Intuition, dass ich sage, jemand der so ausschaut, jemand der so spricht, dem vertraue ich eher als anderen Personen. Diese Form von Vertrauen würde ich als Zutrauen bezeichnen. Also ich würde das als Zutrauen.

Svenja: Okay, das ist Zutrat. das ist noch mal eine wichtige, ja, das ist für, glaube ich, ganz wichtig, wenn man das mal so hört, weil Vertrauen wird immer so gehandelt, so wie eine Aktie und ist im Kurs immer ziemlich hoch. Aber die Leute wissen gar nicht, worüber sie da sprechen. Und das finde ich ist so wichtig, solche Unterschiede zu machen.

OLAF GERAMANIS: Na, genau!

OLAF GERAMANIS: Kanal.

OLAF GERAMANIS: Und das wird auch im Englischen zwischen Trust and Confidence unterschieden, also auch ein Artikel von Luhmann. Und ich finde, das ist eine sehr präzise Beschreibung. Jemandem etwas zutrauen ist quasi ein sehr begrenztes Vertrauen. Das heißt, ich kenne dich noch nicht ganz genau, aber ich habe zum Beispiel deine Texte gelesen und ich traue dir zu, dass du da und darüber Bescheid weißt. Das heißt, ich fände es kein Urteil über dich als kompletten Menschen. Ich stelle dich nicht als kompletten Menschenfrage.

Svenja: Mmh.

Svenja: Mhm.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: Also das Gegenteil von Zutrauen wäre dann auch Zweifel. Das heißt, ich bezweifle, dass du das kannst. Also ich bezweifle nicht, dass du ein böser Mensch oder ich unterstelle dir nicht, dass du ein böser Mensch bist, sondern in dem Bereich bezweifle ich es. Und insofern wäre quasi der erste Schritt in Richtung Vertrautheit, wäre jemandem etwas zutrauen und das würde ich dann quasi als Zustand der Bekanntheit beschreiben. Also quasi wenn man sich bekannt macht.

Svenja: Mhm.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: Dann erkenne ich schon ein bisschen was von dir und dann kann ich dir bestimmte Dinge zutrauen und bestimmte Dinge vielleicht bezweifeln. Wenn wir jetzt weitergehen und wir lernen uns immer besser kennen und jetzt kommt der Zeitaspekt dazu, ich lerne dich immer besser einzuschätzen, ich merke, okay, es kommt gar nicht mehr so sehr darauf an, welchen Abschluss du hattest oder welches Buch du geschrieben hast, sondern ich gehe mit dir als Mensch und ich denke, wow, du hast tolle Ideen. In dem Moment würde ich sagen, Ich verlasse mich mehr und mehr auf dich als ganze Person. Also ich lerne dich kennen. Und da kommt auch so ein moralischer Aspekt mit rein, dass ich sage, ich halte dich jetzt für vertrauenswürdig. Und da geht es Würde. Also es geht quasi etwas, was ich dir unterstelle, dass ich sage, wow, wenn die Svenja alles das macht, dann kann ich mich ihr anvertrauen. Und dann vertraue ich ihr. Also Vertrauen.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Dass ich mich dir anvertraue, dass ich mich quasi in deine Hände begebe, ist schon eine ziemlich hochschwellige Angelegenheit. Also, wir müssen unterscheiden von Zutrauen zu Vertrauen.

Svenja: finde ich total wichtig und gebe ich an dieser Stelle auch allen, die das hören, als Tipp mit, diese Abgrenzung zu machen. Die lohnen sich denn, Fragebögen anzukreuzen, wie vertraue ich X oder so. Ich mache ja oft so Beratungsprojekte und das ziehe ich sozusagen, weil ich kann da aus dem Verkehr, das hört sich jetzt ein bisschen krass an, aber ich finde es einfach sehr schwierig, so einfach so allgemein Begriffe zu geben und ich finde, du hast hier gerade eine famose Ja. zwischen verschiedenen Begriffen gemacht, dieses Thema, wir müssen uns vertrauen, haben wir genug Vertrauen, ein bisschen weg von dieser allgemeinen Ebene ziehen. Also vielen Dank dafür. Ich würde jetzt mal ein bisschen einsteigen, auch mit Praxisbeispiel. Es geht ja Gruppen und ich habe jetzt nicht die Polarität Macht ohne Macht genommen.

OLAF GERAMANIS: Mhm.

Svenja: Aber möchte ganz gerne über ein Praxisbeispiel da einsteigen. Mir begegnen in letzter Zeit in Supervisionen, wo ich auch bin. Wir haben ja Krise in Deutschland, du bist in der Schweiz. Und man merkt, die Kassen werden dicht gemacht, alle diskutieren. Es gibt ein paar Branchen, denen geht es besser und ein bisschen schlechter. Aber am Ende spüre ich und höre immer wieder Geschichten oder mehr Geschichten.

OLAF GERAMANIS: Hahahaha

Svenja: wo sich sozusagen die Macht verselbstständigt und ausartet in ein, ich würde es mal sagen, in einen Verlust von Impulskontrolle. Ich würde das als toxische Systeme, toxische Gruppen bezeichnen, obwohl ich mit dem Begriff toxisch mal Schwierigkeiten habe. Das heißt, da kann sich jemand leisten, Kraft seiner Rolle, so richtig, richtig alles aus dem persönlichen Koffer rauszulassen, was da ist. Wie würdest du auf sowas schauen? Also das ist ja nicht die Organisation erlaubt das ja oder die Vertreter der Organisation und da Wutanfälle, Anschreien, Kleinmachen und dieser Effekt, dass sich die Macht auflädt. Wie siehst du da drauf? Also du hast ja einen anderen, ich habe manchmal ein bisschen psychologisch geprägten Blickwinkel. Wie siehst du auf das Thema?

OLAF GERAMANIS: Also, diese toxischen Beispiele, von denen du sprichst, würde ich nicht als Macht bezeichnen, sondern ich würde es als Gewalt bezeichnen. Also diese Menschen, genau, nach Hannah Arendt, tun diese Leute anderen Leuten Gewalt an und es hat genau nichts mit Macht zu tun. Und erst mal diesen Zahn zu ziehen und

Svenja: Gewalt nach Hannah Arendt.

Svenja: nicht mit positiv gefüllter Macht. Ich glaube, das ist dann auch nochmal wichtig, weil Macht ja oft negativ assoziiert wird. Hier haben wir die Abgrenzungen.

OLAF GERAMANIS: ...

OLAF GERAMANIS: Genau, also mit der Macht kann ich etwas anstellen. Also die Macht macht was. In den romanischen Sprachen pouvoir ein Vermögen. Also ich vermag etwas zu tun und ich bin in der Lage, das voranzubringen. Wichtig finde ich da erstmal die erste Unterscheidung zwischen formeller und informaler Macht. Und Organisationen stellen quasi legitime Macht zur Verfügung. Und das finde ich die große Errungenschaft von Organisationen, also von ganz klassischer, auch bürokratischer Organisation, dort ist die Macht erstmal kanalisiert. Das heißt, sie ist quasi aus der Willkür von irgendwie Standesfürsten oder von irgendwelchen Herren weggenommen worden und es kanalisiert zu sagen, innerhalb der Organisation hast du nur Macht innerhalb deiner Position und nur

Svenja: Mhm.

Svenja: Scheinbar, ja. Erstmal ja.

OLAF GERAMANIS: Erstmal vom Prinzip her. Und das finde ich erstmal wichtig. Wo sind wir geschützt? Also die Organisation schützt erstmal ihre Untergebenen, indem sie sagt, diese Macht steht ihr gar nicht zu. Also wenn jetzt Leute toxisch umgehen und ihre Macht derart missbrauchen, dann hat die Organisation sehr wohl Möglichkeiten diese Macht auch einzudämmen und sie nicht als free floating den Leuten irgendwie nach Gusto laufen zu lassen. Und das finde ich erstmal wichtig.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: dass man sich nicht alles gefahren lassen muss. Man muss sich nicht anschreien lassen in einer Organisation. Man muss nicht die Gewaltexzesse über sich ergehen lassen.

Svenja: Naja, diejenigen, mit denen ich spreche, die sehen das anders. Weil das sind dann oft, also ich würde das als Führungsschwäche grundsätzlich auslegen. Da werden irgendwie Entscheidungen nicht getroffen, weil man bestimmte Personen halten muss, weil sie sich mit Gewalt aufgefüllt haben oder weil sie so viel Beziehung haben oder weil sie so viel Kenntnisse haben oder was auch immer. Die werden ja gehalten. Das heißt, ich finde das aus der Perspektive derjenigen, die mit diesen Personen zusammenarbeiten müssen und wo die Führungskraft keine klaren Entscheidungen trifft, also bewusst Unklarheit lässt, da kann man ja nicht agieren, außer kündigen. OLAF GERAMANIS (33:14.) Na ja, in Zeiten gerade, also zumindest hier in der Schweiz, in Zeiten der Vollbeschäftigung ist es natürlich ein Arbeitnehmerinnenmarkt. Das heißt, ich als Mitarbeiter kann mir schon überlegen, welche Macht ich habe und inwiefern ich mir das gefallen lassen muss. Also ich finde, da hat sich viel verändert, einerseits von dem Selbstbewusstsein der Mitarbeitenden her, andererseits auch von der Arbeitssituation her, wo man sich eben nicht mehr alles gefallen lassen muss. Also natürlich kann ich dein Beispiel gut verstehen, dass sich Leute teilweise hilflos fühlen. Das ist jetzt etwas, wo ich sage, da kann ich erst mal gar nicht viel dazu sagen. Da will ich es auch den Leuten, ihre Hilflosigkeit gar nicht absprechen. Worauf ich schauen möchte, ist auch das Prinzip dahinter. Denn das Prinzip ist, dass ich mir in der Organisation genau nicht alles gefallen lassen muss. Das Prinzip dahinter ist, dass die Führungskraft genau eben bestimmte Entscheidungen treffen muss, dafür bestimmte Verantwortung tragen. Das finde ich natürlich eine ziemlich irritierende Situation innerhalb von Organisationen gerade, dass Führungskräfte einen legitimen Machtanspruch ausüben müssten. Das heißt, sie müssten in die Verantwortung gehen. Sie müssten in die Führung gehen. Ganz positiv, ja, also im Sinne der Organisation zu handeln. Ja, also ich finde, ich finde besonders, ich finde Führungskräfte nehmen ihre Autorität nicht mehr wahr.

Svenja: Mmh.

Svenja: Also im positiven Machtanspruch, also im Sinne der Organisation zu handeln. Jetzt und in Zukunft.

OLAF GERAMANIS: Das finde ich den größten Fehler, der aktuell stattfindet. Und Autorität, diesmal verwende ich selber den positiven Begriff, finde ich durchweg positiv. Eine Autorität ist eine Person, die Zukunft versprechen kann und die die Vergangenheit quasi regeln kann bzw. interpretieren kann. So. Und wenn ich auf heuteführende Führungskräfte schaue, dann versprechen die keine Zukunft mehr, sondern erhalten den Status quo. Und sie interpretieren die Vergangenheit nicht.

Svenja: Mhm.

Svenja: Mmh.

Svenja: Mhm.

Svenja: Und sie können auch die Vergangenheit nicht mehr interpretieren, ne? Sie interpretieren eigentlich gar nicht.

OLAF GERAMANIS: Sie machen gar nichts. Sie sagen, wir segeln auf Sicht und machen daraus eine Tugend, wo ich sage, dafür wirst du nicht bezahlt. Eine Führungskraft hat quasi eine gewisse Zukunft zu versprechen. Das heißt überhaupt nicht, dass sie die Zukunft sicher wissen muss. Ich habe die auch für 50 Jahre nicht sicher gewusst. Aber das heißt, ich muss eine Haltung haben und sagen, ich glaube, wir gehen in diese Richtung, weil ich davon überzeugt bin und ich nehme euch mit. Und stattdessen versuchen Führungskräfte aktuell, jegliche Asymmetrien zu verschleiern. jegliche Abhängigkeitsverhältnisse zu relativieren, indem sie sich selber nur noch als Coach, als Facilitator oder als sonst was darstellen. Und da merken Sie einen leichten Effekt. Andere Variante wäre...

Svenja: Naja, oder die andere Variante. Ja, die Facilitator, mein Gott, was für ein Board -Coach -Variante, die kenne ich, da habe ich auch so eine Allergie, weil das einfach so gerade Leute anzieht, die Angst haben oder die keine Entscheidung treffen möchten und die einfach genau das nicht können. Weder Vergangenheit interpretieren noch Zukunft noch Entscheidung treffen. Aber die Variante, ich bitte vielleicht auch...

OLAF GERAMANIS: Hahahaha

Svenja: zu viel in Konzernen oder höre viel da. Die Variante von Leuten, die wirklich eher in eine richtig aggressive Richtung gehen, die gibt es eben auch. Die vielleicht ganz viel Expertise haben. Und da entsteht eine Abhängigkeit. Also wenn man jetzt guckt, das Thema ist ja KI und AI. Mein Sohn sagt, das ist eh ein Kampfbegriff, bedeutet eigentlich gar nichts. Auch da muss man gucken, was es ist. Aber dass da schon auch eine Variante von Führungskraft offenbar sich derzeit breit macht, die eher ganz festklebt und eher in einer sehr, nicht mal konservativen, sondern einfach wenig Impulskontrolle agiert. Und das, glaube ich, ist vor allen Dingen in Strukturen möglich, wo die Organisation eine Abhängigkeit spürt. Also wo sie eine echte Abhängigkeit von Wissen... hat, also von bestimmten Wissenshoheitsgebieten, Stichwort KI, der ganze IT -Digitale Bereich oder Abhängigkeit von Kontakten. Da ist es besonders ausgeprägt, meiner Meinung nach.

OLAF GERAMANIS: Also das interessante bei dem Autoritätsbegriff, wenn man den vom Ursprung her nimmt, dann ist es ja, ist es ja etwas, eine Autorität folgt man freiwillig. Und das finde ich erst mal einen wichtigen Impuls, also quasi der Ursprung im römischen Senat, fange ich jetzt gar nicht groß an, aber die Pornthe lautet letztlich eine, eine Autorität ist eine Person, die eine Expertise in einem bestimmten Fach hat, in dem sie gehört werden sollte.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: und in der man ihr freiwillig folgt. Also wenn man mal diesen Ursprung, dieses Begriffes nimmt, den ich großartig finde, dann heißt das, ich kann etwas, ich will auch etwas weitergeben, ich möchte auch etwas von mir zeigen, aber ich möchte die Person nicht zwingen. Und wenn man das jetzt natürlich auf Organisation überträgt, ist es schon mal schwierig, weil wir in Abhängigkeitsverhältnissen sind, weil es quasi Zwänge gibt und dergleichen mehr.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Und dennoch finde ich, ist es die Frage, inwiefern kann eine Führungskraft von sich behaupten, ich habe da eine bestimmte Expertise, ich muss nicht alles wissen, aber ich habe eine Expertise beispielsweise auch im Führen und ich biete euch eine Zukunft an und ich wünsche mir, dass ihr mir folgt. Das heißt, inwiefern können wir so ein Bild entwerfen, dass wir uns gegenseitig ernst nehmen, ohne die Asymmetrien zu verwischen, ohne uns gegenseitig irgendwie was vorzumachen, dass wir alle gleich wären, sondern in der Unterschiedlichkeit sagen, das ist meine Expertise, das ist deine, folgt mir. Und das ist natürlich wieder keine Antwort auf die Notlage, in der Führungskräfte gerade sind, von denen du gesprochen hast. Aber ich finde es immer wichtig, nicht quasi so am Problem weiterzuarbeiten, sondern ein Gegenbild darzustellen. Nach dem Motto, die Lösung hat meistens mit dem Problem nicht viel zu tun. Also quasi nicht zu gucken, was mache ich mit einem toxischen Chef, sondern sich überlegen, was wäre denn ein anderes Bild von Führen.

Svenja: Und ich denke auch, wie können wir das System beeinflussen? Meiner Meinung nach liegt es eben daran, dass es überhaupt möglich ist, dass sich so etwas bahnbricht, weil das setzt ja voraus, da können sich Personen frei entwickeln, die eigentlich nur an sich selbst denken. den eigenen Karrieremodus. Genau, also Macht in Organisationen, also wie würdest du das betrachten, wenn du sie so nämlich positiv siehst als Abgrenzung zu Gewalt? Wie wäre sie positiv, also zukunftsorientiert, vergangenheitsinterpretierend? Woran erkenne ich das, dass das bei mir in der Organisation so ist?

OLAF GERAMANIS: Bislang habe ich ja quasi erstmal von der formalen Macht gesprochen, die mir legitimerweise zusteht, wenn ich eine bestimmte Position begleite. Also wenn es heißt, ich bin Offizier oder ich bin Personalchef und als Personalchef habe ich eine Entscheidung, über das Personal zu treffen und deswegen darf ich jemanden einstellen und jemanden entlassen, wenn ich die entsprechenden Gründe befolge. Punkt. Also man darf mir jetzt nicht persönliche Willkühe unterstellen.

Svenja: Also wenn ich meinen Siegel habe sozusagen. Also ich bin Offizier oder Bündnis.

OLAF GERAMANIS: sondern ich folge erst mal den Statuten. Das wäre quasi das Formale. Auch jetzt ist es wieder, wir hatten vorher davon von Selbstorganisationen, von Agilität, von unklaren Verantwortungsverhältnissen, die aktuell in der Organisation sind. Das heißt, die Macht, die formale Macht nimmt tatsächlich ab, beziehungsweise sie hat lange nicht mehr das Gewicht wie früher. Und die Frage ist, wohin wandert die Macht jetzt ab? Und...

Svenja: Das ist eine super interessante Frage. Wohin wandert sie ab?

OLAF GERAMANIS: Wohin wandert sie ab? Und mein Lieblingsbild ist, die macht es wie die Beule unterm Teppich, man verschiebt sie immer nur. Also wenn man so unter dem Teppichboden, wenn man Teppichboden hat und da ist so eine Beule, dann die Beule kriegt man nicht weg, man kann sie nur verschieben. Genau, man verschiebt sie nur. Und ich finde, die ist groß genug, die müssen wir gar nicht größer haben. Und sie verschiebt sich jetzt ins Informelle. Das heißt,

Svenja: Man verschiebt sie immer nur, okay?

Svenja: Das ist ein tolles Bild. Die macht das wie die Beule unterm Teppich. Wird die Beule nicht auch größer durchs Verschieben?

OLAF GERAMANIS: Sie verschiebt sich jetzt hin in informelle Prozesse. Und da sind wir wieder bei der Gruppe. Nämlich, es wird jetzt quasi zu einem individuellen Ausagieren. Also wenn wir jetzt beispielsweise unser Team haben, in dem vier, fünf, sechs Leute zusammen sind, die inzwischen sich gut kennengelernt haben, die vielleicht auch keine vorgesetzte Person mehr haben, sondern die sich selbst organisieren, das kann alles sein. Das heißt, die organisieren sich selbst, die haben ihre Aufgabe.

Svenja: Mhm.

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: und sie haben keine Führungskraft mehr, das heißt es gibt keine formal legitime Macht. Trotzdem treffen die Entscheidungen, trotzdem setzen die sich durch. Und jetzt ist natürlich die Frage, wie machen die denn das? Genau, wie machen die das und funktioniert es? Und selbst wenn es funktioniert, kann es ja sein, dass es vielleicht auf Kosten von bestimmten Personen geht. Und jetzt kommt quasi die, jetzt kommt die Philosophie der Gruppendynamik

Svenja: Wie machen die das und funktioniert das immer?

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: lautet Selbstorganisation kann nur über Selbstdiagnose funktionieren. Also das heißt, wenn sich, das ist quasi mein Lieblingssatz, Selbstorganisation dick unterstreichen. Das heißt, die müssen sich, die müssen ihre Kooperationsprozesse jetzt gemeinsam diagnostizieren. Und wie gesagt, bei Scrum heißt es Retrospective, wobei die richtig komplex ist und auch viel Aufwand braucht. Also quasi eine Retrospective heißt,

Svenja: Ganz wichtiger Satz, glaube ich. Ein bisschen unterstrichend.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Die sechs Leute müssen sich zusammensetzen und sagen, wie haben wir eigentlich in den letzten zwei, drei Wochen unsere Entscheidung getroffen? Und eine wichtige Frage, wie haben wir denn Macht ausgeübt? Und da merkt man, das wird schon heikel und das sind Prozesse,

Svenja: Mmh.

Svenja: Die Retros, die ich kenne, gehen diese Fragen auch nicht ein. Ich würde sagen, 98, vielleicht ist es in der Schweiz anders, aber wenn ich hier so Retros, die ich total wertvoll finde, dann würde ich sagen, diese Fragen kommen da nicht vor.

OLAF GERAMANIS: Zu 80 % gehen die auf die Fragen nicht ein.

OLAF GERAMANIS: Ich wollte es jetzt nicht ganz so schwarzmalerisch machen, aber das sind eigentlich die existenziellen Fragen, die es braucht, genau diese heiklen Themen anzusprechen. Also war die Macht in der klassischen Organisation formal kanalisiert, muss sie in der informalen Organisation, in Anführungsstrichen, muss sie gehandhabt werden und zwar professionell. Das heißt, wir müssen irgendwie, wir müssen über diese heißen Eisen reden. Wir müssen darüber reden, dass ich sage, hierher Michael, du bist mir dreimal ins Wort gefallen und du hast mir nicht zugehört und es ärgert mich. Und jetzt sind wir natürlich auf einer heiklen Ebene, wo es persönliche Beschämung gehen kann. Das ist glaube ich der Hauptpunkt, von dem die meisten Leute Angst haben.

Svenja: Mhm.

Svenja: Schauen, wo wir auch wegkommen von dem Aufgabenfeld.

OLAF GERAMANIS: Genau. Und was natürlich auch gar nichts mehr mit Aufgaben zu tun hat, sondern weil wir unsere Kooperation besprechen müssen. Und wir müssen es besprechen, wir müssen darüber schauen, wie treffen wir Entscheidungen, wie gehen wir mit Macht wie gehen wir mit Ohnmacht Also beispielsweise anzusprechen, dass ich sage, hey, hör mal her, du hast die letzten drei Wochen nicht gearbeitet, du bist Trittbrittfahrer. Oder ich weiß gar nicht, wo du bist, ob es dir schlecht geht. Also wir müssen persönlich sprechen und wir müssen quasi auch da das Thema Macht ansprechen. Und dann heißt es nicht, dass es dafür eine eindeutige Lösung gibt, sondern das heißt, wir einigen uns. Also es kann durchaus sein, dass wir sagen, irgendwie, Michaela, du hast die letzte Woche ausschließlich die Entscheidung getroffen. Ich finde es aber großartig. Ich finde, du kannst das weitermachen. So, also wenn sich die Gruppe darauf einigt und wenn sie quasi keine Kollateralschäden erzeugt, also quasi langfristige Folgen, dass man sagt, eine Person brennt schon aus oder eine Person wird ignoriert oder eine Person muss immer in die Führung. Das heißt,

Svenja: Mmh.

OLAF GERAMANIS: Macht also als ein gruppendynamisches Phänomen anzuschauen und gemeinsam sich dieser Herausforderung zu stellen und eine Lösung zu finden, für die es keine quasi externe Lösung geben kann, sondern die sie selbst organisieren müssen.

Svenja: Das heißt, das Aussprechen, darüber reflektieren, wie war das denn wirklich. Und da kommen natürlich dann die ganzen persönlichen Themen mit rein. Aus meiner Sicht fordert das, du bist ja eher mit einem systemischen Blick unterwegs, aber aus der psychologischen Perspektive hatte ich auch hier ein Interview mit dem Hannes Zacher, der hat gesagt, Selbstorganisation macht krank. Dass es da natürlich auch relativ schnell ein Zu -Viel geben kann.

OLAF GERAMANIS: Mhm. Absolut.

Svenja: Und sobald die persönliche Ebene da reinkommt, natürlich auch offenbar wird, wie Menschen ticken oder wo sie vielleicht auch, ich würde jetzt mal Defizite selber haben.

OLAF GERAMANIS: Also es braucht ein richtig gutes Containment und dieses Containment braucht eine professionelle Begleitung. Und das sage ich jetzt nicht, weil ich selber Coach bin, sondern weil ich finde, das sind richtig heikle Prozesse, die gut bearbeitet werden müssen, dass die Leute daran nicht krank werden und dass die Selbstorganisation nicht zur Selbstüberforderung wird. Und ich finde, im Coaching, in der Supervision hat ja eine hohe Professionalität bekommen, dass es eben nicht therapeutisch wird.

Svenja: Ja.

OLAF GERAMANIS: Also wenn ich dich, wenn ich die Frage, wie gehst du mit der Macht Dann muss das keine therapeutische Frage sein und dann musst du nicht über deine Eltern reden, sondern dann können wir es sehr wohl hier in unserem Kontext belassen. Es ist aber eine andere Dimension als früher vor 30 Jahren in der bürokratischen Organisation. Also es ist deutlich persönlicher geworden, aber immer noch bearbeitbar und immer noch quasi im Rahmen der Arbeit besprechbar. Aber natürlich dieses Persönliche muss anders aufgefangen.

Svenja: wenn der Coach dieses Selbstverständnis hat und diese Unterscheidung ziehen kann. Das mal vorausgesetzt, weil ich glaube auch, das muss man dann auch noch mal von der anderen Seite betrachten. Da würde ich noch mal das Beispiel der Corona -Zeit einbringen, wo dann plötzlich alle mit ganz viel Emotion und reden und weinen und das ist privat bei mir los und noch was. Und in einigen Organisationen, die ich so beobachtet habe,

OLAF GERAMANIS: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Mhm.

Svenja: hat das dazu geführt, dass sie nicht mehr rausgekommen sind aus dem Modus. Und dass jetzt ständig so eine Emotionsbeschau stattfindet. Und diese Grenzen dadurch total verwischt sind. Und ein Großteil meiner Beobachtung sich zurückgezogen hat. Es gibt bestimmte Leute, die liebend gern ihre Emotionen auf den Tisch platzieren. Und sie auch immer weiter da haben wollen. Also, gelernt in Corona. Aber die meisten sagen eigentlich will ich das gar nicht und dann kommt das aber nicht mehr raus. Vor allen Dingen auch bei jenen, die vielleicht nach wie vor online arbeiten. Das ist eine ganz, also meiner Meinung nach sind das noch einige. Was ist da passiert? Also wenn das wirklich so diese Grenzen total verschwommen sind?

OLAF GERAMANIS: Also

Svenja: Also, du atmest tief durch.

OLAF GERAMANIS: Ja, weil ich es gut nachvollziehen kann, weil es ein spannendes Thema ist und weil ich merke, die Dimensionen sind größer geworden. Letztlich, es mal ganz groß zu machen, ich finde, es hängt mit dem Autoritätsverlust in letzter Konsequenz zusammen, das verantwortliche Position ihrer Autorität nicht mehr wahrnehmen. Also sei das die Politik, die auch nur noch Schadensbegrenzung macht. Also wo gibt es denn noch Visionen?

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Wenn ich zum Beispiel denke, dass Politikerinnen oder Politiker davon reden, ist es alternativlos. Also so einen Satz muss man sich nicht mehr auf der Zunge zugehen lassen.

Svenja: Der ist ja auch genauso aussagelos wie Vertrauen, wenn man es nicht differenziert.

OLAF GERAMANIS: Genau. Also es ist ja eigentlich eine Katastrophe, wenn ich als Politiker irgendwie sage, es ist alternativlos, wenn ich keine Alternativen konstruieren kann. Also ich finde, quasi die Führung zieht sich mehr und mehr zurück, Autoritäten ziehen sich mehr und mehr zurück. Das heißt, die Leute bleiben alleingelassen und dieses Gefühl quasi, jetzt bin ich alleingelassen, ist die Frage, worauf kann ich mich denn jetzt noch verlassen und was kann ich denn jetzt noch bieten?

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Und insofern quasi sind wir an einem Moment, wo ich sage, ja, wenn nur noch ich da bin, dann muss ich mich halt selbst als die Instanz inszenieren, die Antworten geben kann. Und insofern auch die zentrale Frage im Moment lautet ja nicht mehr irgendwie, welche Untersuchungen gibt es oder was ist richtig und falsch, was ist moralisch gut, sondern wie geht es mir damit? Das ist quasi der. Wie geht es mir damit? Also diese hoch egozentrische, fast schon narzisstische Frage.

Svenja: Mmh.

Svenja: Genau, wie geht es mir damit?

OLAF GERAMANIS: Wie geht es mir damit oder mir geht es nicht gut damit? Wo ich denke, das ist doch kein Kriterium. Also das allein.

Svenja: Für viele allerdings schon. Da ich halt ein paar Supervisionen dieser Art habe, wo dann immer gesagt wird, aber Svenja, was soll ich denn machen? Keine Frage.

OLAF GERAMANIS: Nö!

OLAF GERAMANIS: Ja, und jetzt wird quasi die eigene Befindlichkeit, die eigene Befindlichkeit wird über alles gestellt. Und dann denke ich so, nee, jetzt lass uns doch mal zurückdividieren, wo wir tatsächlich unterwegs sind, also in welchen Abhängigkeiten sind wir, in welchen Interdependenzen sind wir und was geht es zu lösen. Und stattdessen machen wir aber, mein Begriff, als du gerade das erklärt hast, ist es so ein Nabelschau. Also wir versuchen quasi unser Innestes nach außen zu kehren und sagen, Aber ich habe doch alles getan. Ich bin noch mit meiner ganzen Emotionalität da und es fühlt sich für mich so an, wo ich so denke, darum geht es gar nicht. Also es geht nicht darum, dass wir uns irgendwie ausschließlich über unsere Befindlichkeiten definieren, sondern dass wir wieder mehr in ein Miteinander gehen und durchaus in eine moralische, in eine ethisch -moralische Handlungsweise, dass wir sagen, was brauchen wir denn, gemeinsam quasi Leben und gut leben zu können und nicht unsere eigene Befindlichkeit übereinander zu stellen.

Svenja: Also wieder mehr zu trennen, das wäre auch mein Empfinden, auch mit dem Du und Sie, das finde ich auch so ganz manchmal wirklich spooky, weil du merkst so richtig, wie das dann auch genutzt wird manchmal, eher sogar zur Zwangseinordnung. Also sozusagen, du gehörst hier mit Haut und Haaren in diese Arbeit, so sind wir halt. New Work, finde ich, hat da teilweise auch nicht besonders gute Dinge gelassen.

OLAF GERAMANIS: Mhm.

Svenja: oder was teilweise auch in Ausbildung vermittelt wird, finde ich oft heikel, weil es der Endkonsequenz zu so was führt wie mit Haut und Haaren in der Unternehmung, du gehörst uns und nicht mehr zu trennen und die Folgen, die finde ich, sieht man in Krisen, die einige der jüngeren Leute noch nicht erlebt haben, nämlich dann wird doch gnadenlos entlassen. Also

OLAF GERAMANIS: Genau.

OLAF GERAMANIS: Genau, du bist eben nicht adoptiert, sondern du bist nur eingestellt.

Svenja: Also ganze Abteilungen, Agile Coaches werden entlassen ohne Effektivitäts - und Effizienzverlust. Die Organisation ist von daher, hat die eigentlich auch Macht?

OLAF GERAMANIS: Naja, es ist ja die Unterscheidung, mit der wir quasi angefangen haben, ist wieder, inwiefern gehe ich von dieser Personenorientierung aus, inwiefern glaube ich, dass es nur mich als Person geht, oder inwiefern glaube ich, dass es mich als eine Rolle geht, eine Position, die ich bekleide oder eine Aufgabe, die ich mache. In dem Moment, wo ich bei der Nabelschau bin, in dem Moment, wo ich nur sage, aber meine Befindlichkeit ist so, mache ich mich ausschließlich als personenbreit.

Svenja: Das war's für heute.

OLAF GERAMANIS: Und als Person bin ich nicht in der Organisation. Und deswegen finde ich diese Trennung so wichtig. Klar zu machen nach dem Motto, es ist okay, wenn du dich in deiner Organisation auch leidenschaftlich mit einbringst. Es ist auch wichtig, dass du hier einen Sinn findest. Aber wir wollen dich nicht mit Haut und Haar haben. Also sowohl müssen wir als Person lernen, eine bessere Abgrenzung zur Intimität hinzuwahren. Also es ist eben kein intim Kontext, in dem wir sind.

Svenja: Mmh.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Ich bin vielleicht als Person mehr gefordert als früher, aber ich muss meine Intimität wahren. Und das Gleiche gilt für die Organisation, dass sie nicht auf meine Intimität zugreift. Also ich muss nicht mit meiner Abteilung die Sauna gehen. Und ich muss auch nicht abends in den Ausgang gehen und dann noch was trinken gehen. Also so, das sind ja die Übergriffe, von denen du auch gerade gesprochen hast, die ja exzessiv werden.

Svenja: Hahaha!

Svenja: Also in Finnland, ich hab eine Freundin in Finnland, haben sie das Thema Sauna aus Kostengründen gestrichen. Da hatte das, glaube ich, genau, da hat das, glaube ich, fast eine andere Bedeutung gehabt.

OLAF GERAMANIS: Wobei es da eine kulturelle Errungenschaft ist. Genau.

Svenja: Ja, ich hab das ja auch, ich komme ja eigentlich aus dem HA und hab das oft beobachtet, dass wenn Menschen sich mit Haut und Haaren aufgeopfert haben, sag ich mal, und dann hinterher ist der Bereich geschlossen worden. Das gab es ja schon früher und heute findet das statt oft in den Bereichen, die jetzt als erstes auf der Kostenstreichliste stehen. Und dann ist oft die überraschende oder auch schockierende Entdeckung, dass es gar nicht so viel Unterschied macht.

OLAF GERAMANIS: Mhm. Mhm.

OLAF GERAMANIS: Und die Kränkung besteht natürlich darin, dass die Organisation stets so getan hat, als ob sie die Person einstellt. Als ob sie quasi die Person adoptiert, aber sie adoptiert sie nicht. Also, so dieser Unterschied von Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung. Also, die Organisation ist eine vergesellschaftete Organisation und die Vergemeinschaftung ist die Familie. Und in dem Moment, wo die Organisation den Leuten vorspielt, wir sind deine Familie, finde ich, lügt sie. Und wenn sie das noch vorsätzlich macht.

Svenja: Aber

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Dann wird es irgendwie perfide. Und dann ist es natürlich zu Recht so, dass die Leute in ein ganz tiefes Loch fallen, weil sie dachten, ich dachte, ich würde hier geliebt werden von der Organisation. Und dabei bin ich einfach nur eingestellt worden, Geld zu verdienen. Punkt.

Svenja: Noch ein letzter Aspekt, den ich wichtig finde, bin gespannt deine Meinung dazu zu hören, ist, wenn sich in so Gruppen oder Teams oder Gruppen und Teams keine Strukturen finden, dann ist es doch so, du bist ja auch Gruppendynamiker, machst auch T -Trainings, dass sich oft die Persönlichkeit relativ unmittelbar durchsetzt oder wie würdest du das sagen? Also die sehr extremen Persönlichkeiten auch.

OLAF GERAMANIS: Na ja, zwangsläufig. Also wir brauchen irgendeine Struktur. Und wenn die Struktur nicht von außen vorgegeben ist, also wenn es nicht klar ist, du bist die Vorgesetzte, ich bin der Zweite, der Dritte ist der Dritte und so weiter und so fort, dann müssen wir es selber erfinden. Und worauf greifen können wir dann zurückgreifen als auch nicht die Muster, die wir jeweils mitbekommen haben. Das heißt, der Rucksack, den du dabei hast, den ich dabei habe und die dritte Person dabei hat, da gucken wir da mal rein und gucken mal, wie könnte was denn machen.

Svenja: Mmh.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Am Anfang sind wir noch ein bisschen vorsichtig und gucken aber, es kann wahrscheinlich sein, dass ich denke, also ich habe Probleme bisher immer so gelöst, dass ich mich durchsetze, dass ich auf den Tisch haue oder dass ich überhaupt nichts mehr sage. Und dann wird sich das irgendwann mal zurecht rütteln. Also wie so ein Mobilet, was irgendwann mal durcheinander gewirbelt wurde, werden wir uns irgendwann mal eingependelt haben. Und dann ist die Kunst wieder im Sinne der Retrospektive, dass wir Selbstorganisationen und Selbstdiagnose machen, dass wir uns gucken, okay, wo sind wir denn angekommen? Und das ist tatsächlich, du hast angesprochen, nicht viel anders als in einem T -Gruppentraining. Also in einer Trainingsgruppe findet genau das statt, dass wir keine äußere Aufgabe haben, sondern wir gucken, wie strukturieren wir uns als Menschen, die wir schon sind. Also die paradoxe Situation lautet, indem fünf, sechs Leute in einer T -Gruppe sind, haben die eigentlich schon eine Struktur aufgrund ihrer Personalitäten. Jetzt müssen sie quasi schauen, wie sie ihre Personalitäten transparent machen können. und wie sie quasi füreinander berechenbar werden und einschätzbar. Und wenn wir uns dann füreinander einschätzen können, dann werde ich irgendwann wissen, okay Svenja, da hast du so eine Macke und du weißt, ich habe hier eine Macke und dann müssen wir irgendwie gucken, ob wir damit umgehen können oder vielleicht auch nicht. Also, es kann auch scheitern. Genau.

Svenja: Und ob wir Strukturen schaffen. Mir geht immer dieser Satz von angeblich Peter Drucker durch den Kopf, Culture eats Strategy for Breakfast. Meiner Meinung nach ist es gar nicht Culture, sondern es ist fehlende Struktur. Es ist die nicht getroffene Entscheidung. Es ist die nicht klare Vereinbarung, die eigentlich Kultur schafft. Auch diese Kultur der fehlenden Impulskontrolle.

OLAF GERAMANIS: Mhm.

Svenja: die ich da eben eingebracht habe. Oder wie siehst du das? Also Struktur wird oft nicht gesehen oder wird so minimal gesehen als Position, Meeting und so. Aber Struktur ist ja noch viel mehr.

OLAF GERAMANIS: Also es gibt ja gar keine Nichtstruktur, wenn Menschen miteinander zu tun haben. Also immer dann, wenn Menschen zu tun haben, rütteln sie sich miteinander zurecht und richten sich aufeinander ein. Und die Frage ist, inwiefern wir es quasi entscheidbar bekommen. Nichts anderes ist beispielsweise auch Familientherapie. Also wenn wir, oder Paartherapie, nehmen wir mal als Beispiel ein Paar, lebt seit zehn Jahren zusammen und hat sich irgendwie ziemlich Sklerose bekommen, indem sie sich zuverfestigt haben, indem sie nichts mehr bewegt.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Wie kommt man raus? Sie gehen in eine Paartherapie und dort wird gemeinsam geschaut, welche Strukturen haben sie denn verfestigt und inwiefern wollt ihr die beibehalten oder wollt ihr die verändern? Also quasi einen Ansatz, nicht zuletzt auch ein systemischer Ansatz, zu gucken, wo seid ihr denn angekommen, wie habt ihr euch bislang entschieden und wollt ihr euch neu umentscheiden oder wollt ihr es so beibehalten? Und in dem Moment, wo wir quasi diese Beobachtungsperspektive in die eigene Handlung eingeführt haben,

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: haben wir eine Möglichkeit zu sagen, wir sind uns nicht nur ausgeliefert, sondern wir können über uns nachdenken. Das Gleiche können wir auch in einem Team machen. Also wenn ein Team selbst organisiert ist und sich quasi über drei, vier Wochen zurecht rüttelt und es dabei zu einigen Unwuchten kommt, weil man merkt, da hapert es und da hapert es, gilt es auch hier eine Beobachtungsposition einzuführen und zu sagen, okay, lasst uns drauf schauen, wie sind wir denn miteinander umgegangen, was wollen wir beibehalten und was wollen wir ändern. Und in dem Moment, wo wir darüber geredet haben, ist es eine andere Situation.

Svenja: Mmh.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Und je ritualisierter oder routinisierter oder institutionalisierter wir das machen, desto leichter werden wir darüber reden können. Und desto leichter werden wir auch Konflikte anregen können. Das ist das, was man als Konfliktfähigkeit, als Kommunikationsfähigkeit bezeichnet. Das bräuchte es.

Svenja: Sehr, sehr wichtig finde ich das, was du da sagst. Und ich glaube, an der Stelle besteht wirklich noch wahnsinnig viel, was man machen kann. Ich finde zum Beispiel auch der Teamzuschnitt vielleicht, da bringe ich doch nochmal ein Thema ein, Teamzuschnitt manchmal auch sehr wichtig. Wie werden Teams in Anführungsstrichen geschnitten und

OLAF GERAMANIS: Mh.

Svenja: die sind ja teilweise in der Organisation als Form von Abteilung. Aber die Frage ist ja auch, wie bekomme ich aufgabenorientierte Dynamik in so Teams rein? Wenn du da zwei Datenanalysten hast und fünf Softwareentwickler, dann ist das ja keine wirklich aufgabenbezogene Mischung.

OLAF GERAMANIS: Also bei Teamzusammensetzungen bin ich ein ziemlich radikaler Gruppendynamiker, dass ich wirklich ausschließlich auf die Gruppenperspektive schaue und nicht auf die Person. Also quasi ich weiß gar nicht, ob man Personen decodieren kann, ob man quasi weiß, welche kooperativen Eigenschaften eine Person tatsächlich hat. Also so ein Begriff wie hast du soziale Kompetenz ist eigentlich schon eine paradoxe Frage.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Das hört sich an wie, kannst du dich alleine im Kreis aufstellen? Ich kann mich nicht alleine im Kreis aufstellen. Es braucht immer eine Gruppe. In Gruppen reagieren Menschen immer anders. Es geht erst mal gar nicht so sehr darum, aus meiner Perspektive, welche Zusammensetzung hat dieses Team oder diese Gruppe. Es geht darum, welche Möglichkeiten gebe ich den 5, 6 Personen an, ihre Kooperation zu erarbeiten. Insofern gibt es in Gruppen immer Tendenzen, dass sich Gruppen...

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: quasi das Gruppen nach Gleichgewichten suchen. Das heißt, es wird immer jemanden geben, der voranschreitet und immer jemand, der bremst. Es wird jemanden geben, der schaut, dass es mit der Kooperation klappt und jemand, der schaut, dass man die Arbeit gefälligst tut. Also es gibt quasi so eine, es gibt so ein Gespür, so eine Intuition, dass es in Gruppen quasi auf dieser psychosozialen Ebene eine Balance braucht. Und dort werden die entsprechenden Leute, die eine Affinität haben, in die Bresche springen.

Svenja: Hehehe

Svenja: Das ist ganz normal, dass sich das...

Svenja: Genau, man füllt automatisch die Lücke, die gerade nicht bedient wird. Das ist auch meine Erfahrung. Dann sind wir ja derzeit, wo wir diesen Podcast aufnehmen in der Europaweltmeisterschaft. Und gerne werden ja so Bilder verwendet wie ein Team wie oder ein Trainer wie. Was hältst du von diesen Analogien zu Sportbeispielen und diesen damit verbundenen oft

OLAF GERAMANIS: Ho ho keno!

Svenja: verwendet ein Bild, dass der Trainer, Coach sozusagen die Leute motivieren muss.

OLAF GERAMANIS: Also, die Schweizer Mannschaft, finde ich, macht gerade auf eine großartige Art und Weise vor, was Teamgeist bedeutet und was der Unterschied ist beispielsweise zur englischen Mannschaft. Also, wenn wir gerade bei dem Beispiel sind, ich finde, England hat ja das teuerste Team überhaupt, 1 ,3 Milliarden ist das wert. Das ist unvorstellbar viel, weil die großartigen Einzelspieler Stars jeweils sind. Und im Zusammenspiel klappt es überhaupt nicht. Also wir haben quasi lauter großartige Leute, die nicht in der Lage sind, von ihrem Ego runterzukommen oder wo auch der Trainer wahrscheinlich nicht wirklich in der Lage ist, daraus ein Team zu formen. Also die Frage ist ja, inwiefern...

Svenja: Nö, nee.

OLAF GERAMANIS: Team heißt immer, den eigenen Egoismus hinten anzustellen und zu gucken, inwiefern können wir Zusammenspiel machen. Und jetzt kommt natürlich dieser Satz bei dem Wunder von Bern, elf Freunde sollt ihr sein. Das wäre natürlich das Ideal. Quasi elf Freunde heißt, wir gucken quasi auf uns als Personen. Wir gucken nicht, dass eine Einzelleistung viel ist, sondern wir als Freundeskreis wollen aufeinander schauen. Und das, was die Schweizerische Nationalmannschaft geschafft hat in ihren Spielen, ist, dass sie in einem wunderbaren Zusammenspiel immer wieder aufeinander geschaut haben, immer wieder geguckt haben, wie können sie ein Gemeinschaftserlebnis schaffen oder ein Gemeinschaftswerk schaffen und eben nicht nur einzelne Leute protegieren. Und ich glaube, das ist so der Trick an der Sache oder das Riskante. Also es braucht eine Einzelleistung. Und diese Einzelleistung darf aber nicht auf Kosten des Teams gehen. Und das ist so dieses Spannungsfeld, was es in Gruppen immer gibt und was immer balanciert werden muss und was sich nicht für eine Seite entscheiden darf. Also wenn die Schweizer nur noch 11 Freunde sind, dann werden die auch nicht gewinnen, weil es braucht irgendwie auch einzelne Protagonisten, die nach vorne preschen und die sie vielleicht noch beweisen wollen. Und ich denke, das ist die Herausforderung, diese Spannung immer wieder neu hinzubekommen. Also einerseits so eine Differenzierung zu schaffen. Ich bin eine Einzelperson und ich will hier auch realisieren. Ich will das Tor schießen, zugleich aber zu sagen, und wenn es drauf ankommt, dann gebe ich den Ball weiter an eine andere Person und dann soll die das Tor machen, weil wir es nur zusammen hinbekommen.

Svenja: Das heißt, die Analogie funktioniert durchaus und zuletzt die Rolle des Trainers. Ist der wichtig?

OLAF GERAMANIS: finde ich ganz zentral. Ich glaube, das ist das Zentralste, was es gibt. Der Trainer ist immer wichtig, ähnlich wie beim Konzert. Früher habe ich auch mal überlegt, warum kriegt der Dirigent überhaupt Applaus, gespielt haben doch die anderen, bis sie dann irgendwann verstanden haben. Genau, das ist mir ganz genauso gegangen. Und deswegen denke ich so, also das, was Jakin da mit der Schweizer Nationalmannschaft macht, ist großes Kino.

Svenja: Ja genau, habe ich auch über gedacht. Bis ich meinen Mann getroffen habe und der ist im Musik ein bisschen pfitter.

OLAF GERAMANIS: Man hat es ihm nicht zugetraut. Ich finde, das ist die Art und Weise, wie auch hier, wie es, glaube ich, eine Autorität braucht, die eine Idee hat und die quasi Dreh - und Angelpunkt ist. Die Überzeugung von mir lautet, oder auch in der Gruppendenamik, Gruppen brauchen immer Führung. Führung heißt nicht, dass da eine Einzelperson autoritär sein muss. Führung können zwei Personen sein, können drei Personen sein. Führung kann wechseln, aber es braucht Führung.

Svenja: Mhm.

OLAF GERAMANIS: Und insofern muss ein Trainer auch oder bei den Nationalmannschaften, es ist durchaus ein Führungsthema, wie man quasi diese Spannung hinbekommt, also die einzelnen Individuen zu fördern als Egoisten und zugleich ein Kollektiv zu schaffen, wo man altruistisch auch guckt, wann gebe ich ab und wann halte ich mich zurück.

Svenja: Genau, also die destruktiven Tendenzen, wie Gruppen denken und so weiter, rauszuhalten. Und insofern kommen wir wieder zu dem, was du auch gesagt hast, das ist mit der Interpretation der Vergangenheit und auch der Weisung in die Zukunft, der Deutung der Zukunft zu tun hat. Wunderbarer Abschluss, finde ich. Also vielen, vielen, vielen lieben Dank. Also war mir eine Ehre, dass du hier warst. Vielen Dank, lieber Olaf.

OLAF GERAMANIS: Genau, absolut.

OLAF GERAMANIS: ...

OLAF GERAMANIS: Eine große Freude ist, wenn ja mit deinem tollen Beispiel und Fragen haben Sie auch wunderbar leicht gemacht, da zusammen ein schönes Gespräch zu machen.

Svenja: Okay, ich danke dir.

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